Landessortenversuche Verarbeitungskartoffeln 2004

Kartoffeln unter der Pflanze

Gute Kartoffeljahre sind schlechte Kartoffeljahre

Auch heute lässt sich das Anbaujahr 2004 für späte Industriesorten wieder mit knappen Worten treffend beschreiben. Ähnlich war es auch schon im vorherigen Jahr, glücklicherweise mit umgekehrten Vorzeichen. Unbeeindruckt von den negativen Vorgaben des Marktes, zeigten die Sorten doch einige pflanzenbauliche Besonderheiten, wie Sie im nachfolgenden Bericht von Peter Lövenich, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, lesen können.

Das Jahr für Industriekartoffeln begann sehr vielversprechend mit guten Preisen und hohen Erträgen. Das Ertragsniveau ließ sich im Verlauf der Saison noch steigern, der Preis fiel aber ab Mitte Juli von 15 € drastisch ab. Gegen Ende Juli kam keine Notierung zustande und bei der Neuaufnahme am 9. August lag diese für Premiere 50+ mm bereits bei 3,00 €/dt. Aus diesem Preistal konnte man sich nicht mehr befreien, auch nicht nach dem Wechsel auf die späteren Sorten. Damit war für die Produzenten von später Verarbeitungsware sehr schnell klar, dass es 2004 eine herbe Enttäuschung geben wird. Doch wo sind die Ursachen zu suchen?

Das Kartoffeljahr 2003/04 endete witterungsbedingt mit einer kleinen Erntemenge, mit sortenbedingten Qualitätsabstrichen. Die vom Markt gewünschte Menge war nicht vorhanden, was zu hohen Preisen führte. Diese hielten sich für alterntige Ware sehr lange auf dem Niveau um 20 €, sofern die Qualitäten stimmten. Im neuen Jahr konnten vielerorts die späten Sorten unter guten Bedingungen früh ausgepflanzt werden, bekamen aufgrund der kühlen Folgewitterung aber nur einen schlechten Start. Das frühe Auftreten der Krautfäule schürte die Befürchtungen weiter, dass die Ernte in diesem Jahr knapp werden könnte und führte zu dem anfänglich sehr festen Preisniveau. Nur allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Krautfäule zwar heftig war, aber unter hohem Aufwand in Schach gehalten werden konnte. Auch das Ertragsniveau war trotz der ungünstigen Startbedingungen erfreulich hoch und sehr schnell wurde aus einem knapp geredeten Markt ein Überschussmarkt mit den entsprechenden Folgen.

Grotesker Markt

Aber nicht nur die absolute Höhe des Preisniveaus ist Anlass zur Sorge, sondern auch dessen Aufteilung. Sprach man in den letzten Jahren immer wieder von dem knappem gelbem Frittenrohstoff und förderte den Anbau, fand dieser 2004 nur schlecht seinen Absatz, teilweise nur mit Preisabschlägen. Aber auch die wichtigen Übergrößen 50+ mm brachten nicht mehr als die Absortierung und in den letzten Wochen stiegen nur noch die Preise für die untere Sortierung. Wohin diese groteske Marktentwicklung noch führen wird, bleibt weiter ungewiss. So hat sich leider die alte Weisheit, dass gute Kartoffeljahre doch schlechte Kartoffeljahre sind, wieder einmal bewahrheitet.

Im Versuchswesen ist man von dieser Entwicklung weit weniger betroffen und freut sich über das hohe Ertragsniveau und die gute Leistung der Sorten. Auch in diesem Jahr wurden die späten Verarbeitungssorten wieder auf den Standorten Kerpen-Buir und Schwalmtal-Waldniel geprüft.

Sortenüberblick

Agria: Sie stellt auch in diesem Jahr einmal mehr ihre hohe Ertragsfähigkeit unter Beweis. Besonders am frühsommer-trockenen Standort Buir brachte sie den höchsten Ertrag aller Sorten. Damit demonstrierte sie erneut ihre hervorragende Trockentoleranz. Es darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass Agria zum Knollenansatz, der in der Regel Mitte bis Ende Mai liegt, ausreichende Bodenfeuchte benötigt, da sie sonst mit starker Knollenreduzierung reagiert. Nach erfolgreicher Knollenbildung ist sie weitgehend trockentolerant, benötigt dann in den Hauptzuwachsmonaten Juli und August wieder ausreichende Niederschläge, um ihr hohes Ertragsniveau zu erreichen. Agria ist keine leicht anzubauende Kartoffel. Als sehr keimträge Sorte sollte sie zumindest keimstimuliert gepflanzt werden. Dadurch läuft sie schneller auf und kann die Restfeuchte aus dem Winter noch für den Knollenansatz nutzen. Ebenso braucht sie eine kontrollierte N-Düngung, da sich erhöhte Stickstoffmengen oder eine unkontrollierte Feisetzung negativ auf das Unterwassergewicht und den Anteil an hohler Knollen auswirken kann.

Im Versuch erzielte Agria auf allen Standorten eine sehr ausgeglichene Sortierung mit nur mäßigem Anteil an Knollen über 60 mm Größe. Auf dem reinen Mineraldünger-Standort Buir traten außer 4% Schorf keine weiteren Knollenmängel auf. In Waldniel, nach Vorfrucht Porree und langjähriger organischer Düngung, waren zwar Ertrag und Sortierung gut, bei hohem Anteil an Knollenmängeln. Hier sind vor allem Knollenrisse und -verwachsungen zu nennen. Insgesamt zeigt sich Agria 2004 von ihrer besten Seite, machte aber auch wieder deutlich, dass der Standort für eine qualitätsbezogene Produktion unbedingt zu beachten ist.

Bintje: Nach den regional stark aufgetretenen Qualitätsproblemen des Vorjahres ist bei Bintje wieder Normalität eingetreten. Das Ertragsniveau liegt bei relativ 95 mit guten 77 % Übergrößenanteil. Auch die bekannten Probleme, wie Schorf und grüne Knollen, waren wieder auf allen Standorten zu finden, haben aber im Verarbeitungsbereich nicht die Bedeutung wie bei Speisekartoffeln. Das Unterwassergewicht lag zwar etwas höher als bei Agria, erreichte aber nicht immer die 360 g Grenze. Diese Erscheinung findet sich auch häufig in der Praxis, besonders am Niederrhein mit den höheren Sommerniederschlägen. Der Bintjeanbau wird auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Unterstützung bekam er in diesem Jahr von den guten Absatzmöglichkeiten für weißfleischige Ware. Für 2005, unter den weiter verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, dürften Pflanzgutpreise unter 20 € weiter stimulierend auf den Bintjenbau wirken.

Victoria: Sie schnitt im letzten Jahr ertraglich etwas besser ab, liegt aber normalerweise eher unter relativ 100. Der Vorteil der Sorte liegt in der guten Qualität der Knollen. Die Sortierung ist ausgeglichen mit wenigen Übergrößen, die auch selten hohl sind. Neben etwas Schorf und Grünen sind die Knollen sonst ohne Makel. Beim Unterwassergewicht wird die Verwandtschaft zur Agria deutlich, da Victoria im Stärkegehalt im unteren Bereich anzusiedeln ist. Produktionstechnisch gilt das für Agria Gesagte. Das N-Düngungsniveau ist auf 180 kg/ha N-Soll zu reduzieren und gegebenenfalls zu splitten. Standorte mit unkontrollierter N-Nachlieferung sind zu meiden. Victoria besitzt ebenfalls eine gewisse Trockentoleranz nach dem Knollenansatz, benötigt aber auch für hohe Erträge ausreichend Wasser im August. Die Sorte hat eine hellgelbe Fleischfarbe und findet in der Verarbeitung sowohl im weißen, als auch im gelben Segment ihre Verwendung. Eventuelle Untergrößen fließen in den Speisemarkt und werden zur Zeit mit Aufschlägen zu den Übergrößen gehandelt. Obwohl sie pflanzenbaulich nicht ganz unproblematisch ist, spricht die breite Vermarktungsmöglichkeit für Victoria und dürfte der Sorte weitern Auftrieb verschaffen.

Fontane: Diese Sorte steht mittlerweile im vierten Versuchsjahr und hat ihre überragende Rolle weiter gefestigt. In Waldniel waren die Erträge erstmals unterdurchschnittlich, was aber als Ausrutscher gelten dürfte. In den Vorjahren, wie auch in Buir, lagen die Erträge deutlich über dem Durchschnitt. Die Sortierung ist grobfallend, ohne dass dadurch Probleme mit hohlen Knollen sichtbar wurden. Fontane erreicht sicher die 360 g Unterwassergewicht, auch in Jahren mit heftigen Herbstniederschlägen. Das gilt auch für Standorte mit organischer Düngung. Die benötigte N-Menge liegt auf Bintjeniveau. Die Backfarbe von Fontane ist gut und hält sich über einen langen Zeitraum. Leider kam es in der letzten Zeit bei der Verarbeitung immer wieder zu Stäbchenbruch. Die Ursache soll in einer unzureichenden Stärkeverteilung innerhalb der Knolle in den ersten Wochen nach der Ernte liegen. Abhilfe soll hier eine längere Ruhephase bis etwa Oktober schaffen, die für eine gleichmäßige Verteilung der Stärke in der Knolle sorgt und so die Stabilität der Stäbchen erhöht. Anbautechnisch ist Fontane eine hervorragende Sorte, bei der die Verarbeitung noch weiter optimiert werden muss. Aber auch hier dürften sich die Fronten klären, so dass Fontane für den Anbau 2005 sehr empfohlen werden kann.

Lady Olympia: Sie ist eine weitere Agria-Kreuzung, die 2004 nur unterdurchschnittliche Erträge erreichte. Lady Olympia hat eine hellgelbe bis weiße Fleischfarbe und langovale Knollen. Die Sortierung entspricht der von Fontane mit etwa 5% weniger Übergrößen, dennoch eignet sie sich wegen ihrer langovalen Knollen gut für den Fast-Food-Bereich, wo Wert auf lange Fritten gelegt wird. Leider liegt der Anteil an Knollenmängeln höher, wo neben einigen missgestalteten und grünen besonders die erhöhten Anteile an hohlherzigen Knollen auffielen. Das Unterwassergewicht liegt etwa 20 Punkte niedriger als bei Fontane, erreichte aber auf beiden Standorten die geforderten Werte. Bei der Backfarbe und der Verarbeitungseignung gab es keine Auffälligkeiten. Da der Absatz der Sorte für eine bestimmte Menge gesichert ist, bleibt auch diese Sorte in der Empfehlung.

Homage: Sie ist ebenfalls eine Agria-Kreuzung mit ovalen bis langovalen Knollen. Die Fleischfarbe ist hellgelb und liegt zwischen Agria und Victoria. Von der Verarbeitung wird sie aber keiner Gruppe eindeutig zugeordnet, da sie im Vergleich zu Agria zu hell und zu Bintje zu gelb erscheint. Homage brachte nach dem hervorragenden Ergebnis 2003 in diesem Jahr nur unterdurchschnittliche Erträge. Hier fiel besonders der sommertrockene Standort Buir stärker auf. Die Backfarbe von Hommage ist durchschnittlich und nur bis März stabil. Der Stärkegehalt liegt im mittleren bis unteren Bereich, aber über Victoria oder Agria. Anbautechnisch fiel bei der Sorte der leicht erhöhte Schorfbefall und der Anteil an grünen Knollen auf. Aus der Praxis wurde darüber hinaus über Probleme nach Hagel und bei Läusebefall berichtet. Da die pflanzenbauliche Leistung nur im Mittelfeld liegt und die Verarbeitungsindustrie sich nicht eindeutig für Homage ausgesprochen hat, wird es die Sorte schwer haben.

Quinzy: Sie ist eine Kreuzung aus Felsina und Asterix und erreichte im ersten Prüfjahr auf beiden Standorten weit überdurchschnittliche Erträge, die auch aus dem Praxisanbau bestätigt werden. Quinzy hat langovale Knollen mit hellgelber bis weißer Fleischfarbe. Die Sortierung ist sehr grobfallend bei sicher hohem Unterwassergewicht. Die Krautentwicklung ist sehr üppig, bei guten Witterungsbedingungen sogar explosionsartig. Hohe N-Mengen oder unkontrollierte Freisetzung führen bei Quinzy verstärkt zu Knollenmängeln, wie Hohlherzigkeit, Rissen oder missgestalteten Knollen. Besonders anfällig scheint die Sorte aber gegenüber Blaufleckigkeit zu sein, was besonders aus der Praxis berichtet wurde. Damit hat sich Quinzy als eine Sorte mit schwierige pflanzenbaulicher Führung erwiesen und konnte uns trotz der guten Erträge nicht überzeugen.

Autor: Peter Lövenich