Landessortenversuche Verarbeitungskartoffeln 2008

Kartoffelernte

Preisniveau stimmt wenig zuversichtlich

Der aktuelle Preis für späte Verarbeitungsware liegt mit rund 7 €/dt auf sehr niedrigem Niveau. Damit besteht auch eine große Preisdifferenz zu Speiseware, die aktuell sogar noch leicht anzieht. Diese Tendenz steht im Gegensatz zu der Flächenentwicklung, weil die Anbaufläche der Verarbeitungskartoffeln steigt, die der späten Speisesorten sinkt. Was der Markt von den Verarbeitungssorten verlangt und wie diese 2008 pflanzenbaulich abschnitten, fasst Peter Lövenich, zusammen.

Seit 2002 übertrifft die Verarbeitungskartoffelfläche die der späten Speisekartoffeln. Das entspricht auch dem Konsumverhalten der Verbraucher, denn der Anteil der Verarbeitungsprodukte nimmt ebenfalls stetig zu Lasten der Frischkartoffeln zu, wie aus der Abbildung ersichtlich. Vor diesem Hintergrund sollten eigentlich auch die Preise für Verarbeitungskartoffeln stabil bleiben. Leider zeigten sich diese aber in der Praxis sehr volatil, was auch mit der hohen Witterungsabhängigkeit der späten Sorten zusammenhängt. Die Wachstumsbedingungen in den Monaten Juli und August sind für Ertrag und Qualität der Ernte maßgeblich. Nach verhaltenem Wachstumsverlauf zu Beginn der Saison stiegen die Bruttoerträge der späten Verarbeitungsware dann zum Ende der Wachstumsperiode noch spürbar an. Die Bruttoernte war entsprechend hoch und die anfänglich befürchteten Qualitätsprobleme traten nur sehr eingeschränkt auf. Obwohl in der durchweg feuchten Wachstumsperiode übermäßig häufig Kraut- und auch Nassfäule im Boden festzustellen waren, verliefen Ernte als auch Einlagerung relativ problemlos, so dass nun keine Rohstoffknappheit zu befürchten ist. Dieses hat sicherlich mit dazu beigetragen, dass das Preisniveau aktuell auf diesem tiefen Niveau verharrt.

Zwei rheinische Standorte

Wie auch in den Jahren zuvor, liegen die beiden Versuchsstandorte für späte Industriekartoffeln im Rheinland, in Kerpen-Buir für das südliche Rheinland und in Schwalmtal-Waldniel für die Region Niederrhein. Das Auspflanzen erfolgte am 22. und 23. April unter akzeptablen Bodenverhältnissen und für die Region terminlich richtig. Die Entwicklung war zügig und ohne pflanzenbauliche Besonderheiten. Wie auch in der Praxis, trat die Krautfäule schnell auf, konnte aber durch intensive Behandlung im Versuch nicht Fuß fassen. Beide Standorte hatten keinerlei Wassermangel, was zu guten Nettoerträgen führte. Wie das bei den einzelnen Sorten aussah, ist der Kurzbeschreibung zu entnehmen:

Agria bestätigte auch in diesem Jahr wieder ihren überdurchschnittlichen Ertrag bei leicht unterdurchschnittlichen Unterwassergewichten. Der spät reifenden Sorte kam die feuchte Sommerwitterung entgegen, die besonders im August zu guten Zuwächsen führte. Der Übergrößenanteil war wieder sehr hoch und lag mit 91 % 50 mm+ an zweiter Stelle im Versuch. Die Stärkegehalte waren in diesem Jahr absolut betrachtet hoch, so dass die 360 g Unter-Wasser-Gewichts-Grenze nicht in Gefahr war. Agria wird nun mittlerweile über viele Jahre angebaut und hat sich als eine nicht leicht anzubauende und lagernde Sorte herausgestellt. Besonderer Wert muss auf eine gleichmäßige N-Versorgung gelegt werden, wo unkontrollierte Schübe auf der Bodenreserve unbedingt unterbleiben müssen. Diese führt unweigerlich zu erneutem Wachstum, Hohlherzigkeit, schlechter Abreife und zu einem niedrigen Unterwassergewicht. Ein Anbau dieser Sorte auf Standorten mit hoher und langjähriger organischer Düngung stellt ein nicht kalkulierbares Risiko dar. Bekannt ist auch ihre starke Neigung zu Fäulnis im Lager, wenn die Bedingungen für Erwinia gut sind. Hier kann man gar nicht oft genug darauf hinweisen, Agria sofort oberflächig abzutrocknen und auch im Endlager ist Schwitzwasser unbedingt zu vermeiden. Für die Sorte sprechen die guten Backwerte nach langer Lagerung und die gelbe Fleischfarbe. All diese Punkte machen Agria zu keiner leicht anzubauenden Kartoffelsorte, aber der Markt verlangt weiterhin danach. Daher sollte ein Anbau immer in Absprache mit der Anbauberatung und dem Vermarkter erfolgen.

Dolce Vita ist eine gelbfleischige Agria-Kreuzung, die ursprünglich als Agria-Alternative geplant war. Ertraglich liegt sie auf Agria-Niveau, bei einer etwas kleineren Sortierung. Das Unterwassergewicht ist regelmäßig höher als bei Agria. Bei den Mängeln zeigt sich die enge Verwandtschaft zu Agria, denn bei Schorf und grünen Knollen ist der Befall gleich, bei missgestalteten sogar leicht höher. Die Vermehrung von Dolce Vita ist nicht leicht und in der Praxis gab es Hinweise auf Nabelendfäule und erhöhte Erwiniaanfälligkeit. Die Lagereigenschaften sind nicht ganz so gut wie bei Agria, die Backfarbe fällt früher ab, so dass die Sorte bis März verarbeitet werden sollte. Dolce Vita hat nicht auf breiter Front überzeugen können und ist daher keine vollwertige Alternative zu Agria.

Bintje ist ein weiterer Klassiker mit mittlerweile mehr als 100-jährigem Anbau. Auch diese Sorte ist hinreichend mit all ihren Stärken und Schwächen bekannt. Ertraglich liegt sie immer unter relativ 100 bei einem geringen Übergrößenanteil. Dieser liegt im Schnitt der Jahre zwischen 66 % und 75 % im Kaliber über 50 mm. Dafür sind hohlherzige Knollen selten. Die Stärkegehalte sind überdurchschnittlich und sie fallen nur sehr selten unter 360. Auch in den Mängelstatistiken ist die Sorte regelmäßig gut, sofern kein Durchwuchs vorhanden ist. Leider besitzt Bintje ein hohes Durchwuchsrisiko, was sich in Jahren mit großer Sommerhitze immer wieder gezeigt hat. In solchen Jahren wird sie oft glasig und verliert dann ihre sonst gute Lagereigenschaft. Bintje wurde schon vor Jahren totgeredet, hält sich jedoch erstaunlich lange. Dennoch wird die Sorte weiter an Bedeutung verlieren, auch wenn es in Jahren mit preiswertem Pflanzgut immer wieder zu einem Aufbäumen kommen wird.

Challenger ist ein Bintje-Typ, der bessere Eigenschaften als die Ursprungssorte haben soll. Ertraglich lag sie in den drei Prüfjahren immer höher als Bintje, aber auch im gesamten Sortenvergleich konnte die Sorte leicht überdurchschnittlich abschneiden. Da auch der Übergrößenanteil höher ist als bei Bintje, bleiben etwa 15 % mehr vermarktungsfähige Ware 50 mm+ übrig. Die Stärkegehalte liegen auf Bintjeniveau oder knapp darunter, aber höher als bei Victoria oder Agria. In der Mängelstatistik ist die Sorte eher unauffällig. 2008 stach sie im gesamten Sortiment wegen ihrer schönen Knollenoptik hervor. Auf Grund ihrer hellen Fleischfarbe scheint eine Eignung für Speisezwecke nicht gegeben zu sein. Leider ist die Sorte nicht nematodenresistent, was aber für den hiesigen Anbau noch kein Problem darstellt. Da auch in begrenztem Umfang Pflanzgut verfügbar ist, empfiehlt sich in Absprache mit dem Handel ein breiterer Anbau, um weitere Erfahrungen mit dieser vielversprechenden Sorte zu bekommen.

Victoria wird vom Markt gerne als Zweinutzungstyp eingesetzt, da sie wegen ihres für Verarbeitungssorten niedrigen Stärkegehaltes, der hellegelben bis gelben Fleischfarbe und der schönen Knollenoptik auch in den Speisesektor passt. Obwohl Victoria Agria-Anteile hat, ist sie vom Typ in einigen Punkten anders. So liegt der Ertrag langjährig unter 100, bei einer deutlich engeren Sortierung. Die Unterwassergewichte liegen regelmäßig am unteren Ende der Sortenpalette, was eine entsprechende Anbautechnik verlangt. Das N-Düngungsniveau ist je nach Verwendungszweck auf 180 bis 200 kg/ha N-Soll zu reduzieren und gegebenenfalls zu splitten. Standorte mit unkontrollierter N-Nachlieferung sind zu meiden. Daher werden vom Handel reine Mineraldüngerstandorte favorisiert. In der Mängelstatistik fiel in diesem Jahr besonders der Anteil Blaufleckigkeit ins Gewicht, der bei Victoria zu deutlich überdurchschnittlichen Gesamtmängeln führte. In den anderen Jahren sind grüne Knollen und etwas Schorf weitere Kritikpunkte, die aber in der Gesamtbetrachtung den guten Eindruck von Victoria nicht schmälern.

Fontane zählt zu den ertragreichsten Sorten im Versuch. Das unterdurchschnittliche Ergebnis des Jahres 2006 ist nicht auf die Sortenleistung, sondern auf ein spezielles Pflanzgutproblem in diesem Jahr zurückzuführen. Die Übergrößenanteile sind sehr hoch, in der Regel kann man von über 90 % 50 mm+ ausgehen. Das Unterwassergewicht liegt auch im oberen Bereich, die 360 g-Grenze wird sicher erreicht. Die Gesamtmängel sind leicht unterdurchschnittlich, bei großen Knollen kann aber Hohlherzigkeit auftreten und mit steigendem Ertrag nimmt auch der Anteil an grünen Knollen zu. Die Lagereigenschaften sind gut, die Backfarbe ist bis in den Mai stabil. Fontane hat einen ähnlichen hohen N-Bedarf wie Bintje und reagiert qualitativ erst spät auf unkontrollierte N-Freisetzungen. Die großen, ovalen Knollen in Verbindung mit den hohen Stärkegehalten bergen eine gewisse Neigung für Blaufleckigkeit. Fontane passt auf viele Standorte, man sollte aber bei allzu wüchsigen Bedingungen   qualitätsbedingten Problemen frühzeitig entgegenwirken.

Pomqueen , die ursprünglich als Queen bezeichnete Speisesorte, wurde im dritten Jahr geprüft und lieferte in diesem Jahr auf beiden Standortenden absolut höchsten Ertrag. In den Vorjahren lag er deutlich niedriger. Pomqueen hat eine gelbe bis dunkelgelbe Fleischfarbe und langovale Knollen. Das Unterwassergewicht sowie der Übergrößenanteil sind leicht unterdurchschnittlich. Nur im Anbaujahr 2008 auf dem hohen Ertragsniveau waren die Werte besser. Bei den Knollenbonituren war die Sorte mit Ausnahme einiger Eisenfleckigkeitssymptome in Waldniel unauffällig. Mit Reifezeit 7 gehört sie zu den spät reifenden Sorten, was sich in der sehr späten Schalenfestigkeit widerspiegelte. Die Backtests waren nur zu Beginn der Lagerperiode gut und fallen bis Mai deutlich ab. Auch diese gelbfleischige Sorte wird den Standard Agria nicht verdrängen können.

Innovator ist eine Shepody-Kreuzung und zählt zu den langovalen, gelb-weiß-fleischigen Sorten. Auffallend ist die raue Schale, die der Sorte ein markantes Aussehen verleiht. Innovator war in beiden Prüfjahren ertraglich unterdurchschnittlich, wobei das schlechte Abschneiden in diesem Jahr auf die Pflanzgutqualität zurückzuführen ist. Sieht man von der rauen Schale ab, fallen noch wenige Wachstumsrisse und formuntreue Knollen auf, die aber in der Summe aller Mängel unterdurchschnittlich sind. Im Anbau wird der Sorte eine erhöhte Krautfäuleanfälligkeit nachgesagt, der Bedarf an Stickstoff ist hoch (Bintjeniveau). Vorsicht ist beim Einsatz von Metribuzin geboten. Die Backeignung ist bei der Ernte und zu Beginn der Lagerung sehr gut und lässt dann etwas nach. Auf Grund ihrer speziellen Eigenschaften, sehr langer und weißfleischiger Stäbchen, ist sie für bestimmte Vermarktungsrichtungen, wie die Pommes-frites-Verwertung, sehr interessant. Von der Verarbeitung wird erhöhte Nachfrage signalisiert, so dass sich der Anbau etwas ausdehnen könnte.

Keine Glanzzeiten in Sicht

Die Erlös- aber vor allem die Kostenseite lassen den Industriekartoffelanbau zurzeit sehr düster aussehen. Einsparpotenziale in der Produktionstechnik sind weitgehend ausgereizt, so dass die ökonomischen Eckwerte für die kommende Saison feststehen. Daher muss eine Belebung von der Erlösseite her kommen, damit der Industriekartoffelanbau in unserer Region weiter attraktiv bleibt. Dennoch bleibt die Region ein wichtiger Partner für die Erzeugung von hochwertigem Frittenrohstoff, da die Standortvorteile gegenüber anderen Produktionsstandorten überwiegen. Das wissen sowohl die Produzenten als auch die Verarbeiter und keiner Seite dürfte es recht sein, wenn Marktanteile verloren gehen. Es sollten sich schnell alle Verantwortlichen zusammensetzen und den Anbauern eine Perspektive bieten, damit der Verarbeitungskartoffelanbau in NRW eine feste Größe in der Fruchtfolge bleibt.

Autor: Peter Lövenich