Landessortenversuche mittelspäte Maissorten / Biogasmais 2006

Mais vor einer Biogasanlage
Mais nimmt als Energielieferant in der Biogasproduktion eine absolute Spitzenstellung ein. Um die Transportkosten gering zu halten wird Silomais nach Möglichkeit arrondiert um die Anlagen angebaut. Foto: Norbert Erhardt.

Maissorten für die Biogasanlage

Die Anbaufläche von Mais zum Einsatz in der Biogasproduktion ist in NRW von ca. 8500 ha im Jahr 2005 auf über 13.300 ha im Jahr 2006 gestiegen. Im kommenden Jahr ist mit einer weiteren Flächenausdehnung zu rechnen. Empfehlungen zur Maissortenwahl für die Biogasproduktion gibt Norbert Erhardt, Landwirtschaftskammer NRW.

Mais nimmt als Energielieferant in der Biogasproduktion eine absolute Spitzenstellung ein. In für den Maisanbau klimatisch günstigen Lagen liefert keine andere Ackerkultur ähnlich hohe Biomasse- und Energieerträge bei vergleichbar einfacher Verfahrenstechnik. Im Vordergrund steht dabei die Silomaisnutzung. Andere Produktionsverfahren wie CCM oder Lieschkolbenschrot kommen in der Regel erst in Betracht, wenn das Erntegut über weitere Strecken transportiert werden muss. Auf Grund der Transportkosten erfolgt der Energiemaisanbau deshalb auch möglichst arrondiert um die zu beschickende Biogasanlage.

Massenwüchsige Sorten

Schlagwörter wie „höchster Gasertrag je kg organische Trockensubtanz (oTS)“ oder „sortenspezifische Gasausbeute“ beherrschen die Werbung und die Berichterstattung im Wachstumsmarkt Energiemais. Oft werden auch absolute Frischmasseerträge als Beurteilungskriterium des Ertragspotenzials einer Biogassorten herangezogen. Erträge wie 50, 60 und mehr Tonnen je Hektar sind zwar sehr beeindruckend, ohne Angabe des Trockensubstanzgehaltes sind diese Zahlen aber absolut nichts sagend.

Verlässliche praktikable Analyseverfahren zur Bestimmung möglicher Sortenunterschiede hinsichtlich des Gasertrages sind bislang noch nicht vorhanden. Des Weiteren ist zu erwarten, dass auch andere Faktoren wie der Erntezeitpunkt oder die Abreife von Blättern und Stängeln einen Einfluss auf die Abbaubarkeit der organischen Substanz und damit auf die Gasausbeute haben können. Als verlässlichster Maßstab zur Quantifizierung des Gasertrages je Hektar gilt nach wie vor der Trockenmasseertrag einer Maissorte. Die „Biogassorte“ sollte darüber hinaus bis zur Ernte überwiegend grün bleiben, um die Vegetationsperiode optimal zur Assimilation nutzen zu können. Grüne Blätter und Stängel lassen gleichzeitig erwarten, dass die Lignifizierung noch nicht weiter fortgeschritten ist, was Vorteile hinsichtlich des Zeluloseabbaus und somit der Methanbildung mit sich bringen dürfte. In der   Restpflanze lange grün bleibende „stay-green-Sorten“ erweisen sich gleichzeitig auch ernteelastischer als typische „dry-down-Sorten“, die unbedingt termingerecht gehäckselt werden sollten.

28 bis 32 % Trockensubstanzgehalt notwendig

In Abhängigkeit von der Stapelhöhe sind T-Gehalte im Häckselgut von 28 bis 32 % notwendig, um den Austritt von Sickersäften zu unterbinden. Sickersaftaustritt bedeutet nicht nur unnötige Transportkosten bei der Ernte und der Ausbringung bzw. Lagerung des Gärsubstrates (Biogasgülle). Gärsaft kann auch eine außergewöhnliche Belastung bzw. Störung des sensiblen Gärprozesses zur Folge haben, wenn dieser stoßweise in die Anlage eingeleitet wird. Wird der Silohaufen ohne feste Seitenwände angelegt, ist insbesondere bei zunehmender Stapelhöhe ein Mindest-T-Gehalt von 30 bis 32 % notwendig um den Silohaufen in Form zu halten.   Überhöhte T-Gehalte im Häckselgut führen hingegen zu den bekannten Verdichtungsproblemen im Silohaufen und können auch technische Probleme in der Biogasanlage nach sich führen, wenn die Silage nicht ordnungsgemäß eingemischt werden kann oder sich unerwünschte Schwimmschichten bilden.

Unter normalen Wachstumsbedingungen weisen grüne Stängel und Blätter maximale T-Gehalte von 20 bis 22 % auf.   Die für die Silierung notwendigen Gesamt-T-Gehalte von 28 bis 32 % können dann nur durch hohe Anteile deutlich trockenerer Körner bzw. hohe Kolbenanteile realisiert werden. Die Biogassorte wird sich daher kaum von den herkömmlichen, massenwüchsigen Silomaissorten unterscheiden. Begrenzte Abstriche sind höchstens bezüglich der Abreife bzw. der Stärkeausreifung zulässig, da dem Stärkegehalt im Fall der Biogasnutzung weniger Bedeutung beigemessen wird. Beflügelt durch sehr warme Sommer wie 2003 und mehrjährig ideale Abreifebedingungen wurde in Hinblick auf die Biogasnutzung mit dem Anbau sehr später Maissorten, die ursprünglich für den mediterranen Klimaraum gezüchtet wurden experimentiert. Es hat sich jedoch gezeigt, dass diese Sorten mit ungünstigen Bedingungen während der Jugendentwicklung sehr schlecht zu recht kommen und der   Anbau auch in günstigen Jahren mit erheblichen Risiken bezüglich der Abreife behaftet ist. Mittlerweile konzentriert sich die Maissortenwahl für die Biogasnutzung daher überwiegend auf massenbetonte Silomaissorten, wie sie für die Rindviehfütterung empfohlen werden. In sehr günstigen Anbaulagen Nordrhein-Westfalens bieten sich hinsichtlich der Biogasnutzung aber auch mittelspäte Silomaissorten (S 260 bis S 280) an.

Landessortenversuche mit mittelspäten Sorten

Die Landwirtschaftskammern NRW und Niedersachsen führen seit 2005 gemeinsam Landessortenversuche mit mittelspäten Silomaissorten durch. 2006 umfasste das Sortiment 19 Sorten mit Reifezahlen zwischen S 260 und S 280. Um die Vergleichbarkeit mit den üblicherweise angebauten mittelfrühen Sorten zu erleichtern, standen zusätzlich die bekannten Sorten Nathan (S 240), Gavott (S 250) und Agro Max (S 240) mit im Versuch. In NRW wurde der Versuch an den Standorten Dülmen-Merfeld, Kreis Coesfeld (Sand, Eschboden, Ackerzahl = AZ 30, Aussaat 21. April), Neulouisendorf, Kreis Kleve (Sandiger Lehm, AZ 76, Aussaat 28. April) und Haus Düsse (Lehmiger Schluff, AZ 75, Aussaat: 25. April)   neben den Versuchen mit frühen und mittelfrühen Sorten angelegt. Das gleiche Sortiment wurde in Niedersachsen an den Standorten Löningen (Kreis Cloppenburg), Dasselsbruch (Kreis Celle) und Ankeloh (Kreis Cuxhafen) geprüft.

Während in NRW die frühen und mittelfrühen Sorten an den einzelnen Standorten seit Jahren jeweils gleichzeitig geerntet werden, erfolgte die Ernte der mittelspäten Sorten erneut zeitlich versetzt, um der zum Teil erheblich späteren Abreife dieser Sorten gerecht zu werden. Auf den leichten Standorten in Nordwestdeutschland litt der Mais 2006 verbreitet unter Trockenstress, so dass am niedersächsischen Standort Löningen keine Versuchsbeerntung erfolgte. In Merfeld wurden die Prüfungen zwar gehäckselt, bereits vor der Ernte war aber zu erkennen, dass die Sortenergebnisse auf Grund der Trockenschäden nicht in jedem Fall wertbar sein würden, so dass hier auf die Qualitätsanalysen verzichtet wurden. Die ermittelten Trockenmassegehalte und –erträge (Tabelle 1) geben aber einen Eindruck über die ernormen Ertragsausfälle infolge der Trockenheit und veranschaulichen die möglichen Ertragsschwankungen beim Silomaisanbau bei unterschiedlichen Wachstumsbedingungen.

Kaum Vorteile für mittelspäte Sorten

In Tabelle 1 sind die durchschnittlichen Qualitäten und Erträge der Versuche an den Standorten dargestellt.  Allgemeine Ertragsvorteile der mittelspäten Sorten gegenüber dem mittelfrühen Sortiment sind dabei für 2006 nur am Standort Haus Düsse - am Standort Dasselsbruch nur bezüglich des Trockenmassertrages zu erkennen. Dies muss allerdings vor dem Hintergrund der ungewöhnlichen Witterungsbedingungen im Sommer 2006 gesehen werden. Nach anfänglich zögerlicher Entwicklung blühte der Mais am Standort Haus Düsse 2006 in der Phase größter Hitze und Trockenheit ab Mitte Juli. Die mit der späteren Reife einhergehende Blühverzögerung der mittelspäten Sorten hatte hier diesjährig zur Folge, dass diese Sorten hinsichtlich der Befruchtung und Kolbenfüllung schon wieder von den Niederschlägen ab Ende Juli profitieren konnten. Ähnliche Verzerrungen dürften am niedersächsischen Standort Dasselbruch infolge der dort üblichen Beregnung eingetreten sein. Den frühen und mittelfrühen Sorten verhalf die Beregnung dort offensichtlich zur guten Korn- und Kolbenausbildung, was sich im Vergleich zum mittelspäten Sortiment an hohen Stärke- und Energiekonzentrationen zeigt. Die mittelspäten Sorten profitierten dem gegenüber stärker in Bezug auf die Trockenmassebildung – für die Kolbenfüllung reichten die Wasservorräte aber nicht mehr, so dass mit diesem Sortiment in Dasselsbruch auch die niedrigsten Energie- und Stärkeerträge erzielt wurden.

Die Energie- und Stärkekonzentration fällt im mittelspäten Sortiment aber grundsätzlich an allen Standorten schlechter aus. Dies zeigt sich auch bei der Betrachtung der durchschnittlichen Sortenleistung in Tabelle 2, denn hinsichtlich der Stärke- und Energiekonzentration schneiden die 3 mittelfrühen Vergleichssorten Agro Max, Gavott und Nathan alle überdurchschnittlich ab, was auch mit der erwartungsgemäß fortgeschrittenen Reife dieser Sorten korrespondiert. Hinsichtlich der Futterqualität sowie der Energie- und Stärkeerträge fällt die mittelspäte Sorten PR39F58 deutlich positiv auf, was sich auch an anderen Versuchsstandorten bei der Prüfung als Vergleichssorte im mittelfrühen Sortiment bestätigte (siehe Ausgabe der Vorwoche).   Aufgrund hoher Trockenmasseerträge bieten sich für die Biogasnutzung aus dem mittelspäten Sortiment nach zweijähriger Prüfung die Sorten Fransisco und PR39H20 gefolgt von Atfields und Franki an.  Einjährig geprüft lieferte 2006 die neue Sorte Atletico im Mittel der Standorte die höchsten Trockenmasseerträge.

Sortenempfehlung

Nach mittlerweile zweijähriger Prüfung sind keine deutlichen Ertragsvorteile mittelspäter Silomaissorten gegenüber frühen und mittelfrühen Sorten zu erkennen. Insbesondere bezüglich der Abreife und der Silagequalität ist der Anbau spätreifer Sorten mit einem zunehmenden Risiko verbunden. Das hohe Trockenmassepontential einiger mittelspäter Sorten für den Energiemaisanbau kann nur genutzt werden, wenn zu erwarten ist, dass   der Mais im Herbst mit mindestens 30 besser 32 % T geerntet werden kann. Das ist in der Regel nur an günstigsten Standorten und dann gewährleistet, wenn erfahrungsgemäß auch zeitig im April gedrillt werden kann. Wichtig ist es den Maisanbau für die einzelne Biogasanlage richtig zu planen, um die ausgewählten Sorten zum richtigen Zeitpunkt ernten zu können. Zu erwartende Erntezeit-, Standort- und Vorfruchtunterschiede (Zweitfruchtmais) können dabei durch Sortenunterschiede in der Abreife analog zur Reifezahl im gewissen Rahmen abgefedert werden. Grundsätzlich sollten die späten Sorten dann als erstes gedrillt und als letztes geerntet werden. Besonders beim großflächigen Anbau für die Energiemaisnutzung muss aber auch das Anbaurisiko durch die Wahl mehrer Sorten mit unterschiedlichen genetischen Herkünften gestreut werden. 200 ha Mais für eine 500 KW Anlage sollten immer mit mehreren Sorten unterschiedlicher Züchterhäuser bestellt werden, die allerdings hinsichtlich der Abreife auf einander abgestimmt sein müssen. Auf Teilflächen sollten auch neue viel versprechende Sorten ausprobiert werden.

Die Sortenempfehlung für den Energiemaisanbau in der Tabelle 3 nennt die Sorten, die sich in der jeweiligen Reifegruppe durch überdurchschnittliche Trockenmasseerträge auszeichnen. Eine detailiertere Beschreibung der frühen und mittelfrühen Silomaissorten ist in der Wochenblattausgabe der Vorwoche zu finden. Die farbliche Hinterlegung des Sortennamens in den Sortenempfehlungen charakterisiert das Abreifeverhalten der Sorten. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass diesbezüglich auch Umweltfaktoren wie Wasser- und Nährstoffversorgung und insbesondere der Erntezeitpunkt erhebliche Einflüsse haben.

Da der Energiemaisanbau mittlerweile auch in ungünstigere und höhere Lagen vorstößt, wo zum Teil noch wenig Erfahrungen mit dem Maisanbau vorliegen, kommt auch Sorten der frühen Reifegruppe durchaus eine Anbaubedeutung bei. In Niederungslagen bieten sich diese Sorten für späte Aussaattermine nach Winterzwischenfrüchten an.

Autor: Norbert Erhardt