Einbeziehung ausgewählter landwirtschaftlicher Betriebe

Getreu der These, dass eine sinnvolle Erhaltung alter Sorten nur möglich ist, wenn auch eine wirtschaftliche Nutzung erfolgt, mussten in einem weiteren Schritt Wege zur Verbreiterung der genetischen Basis in der praktischen Landwirtschaft - „on Farm“- gefunden werden. Um den Erhalt und die Vermarktung von Saatgut und Marktfrüchten aus Pflanzengenetischen Ressourcen zu forcieren, wurde seit 2002 ein Verbund von Leitbetrieben zur Erhaltung von Pflanzengenetischen Ressourcen ins Leben gerufen. Als Ansprechpartner diente ein Kreis ausgewählter Landwirte, die schon im Arbeitskreis der „Leitbetriebe für ökologischen Landbau“ mit der Landwirtschaftskammer NRW zusammenarbeiteten. Dazu wurden den Betrieben die entsprechenden Aussaatmengen zur Verfügung gestellt, denn die Bereitstellung von authentischem Vermehrungsmaterial ist mit die Kernaufgabe dieses Projektes. Zusätzlich wurden sie bei der Organisation des gemeinsamen Absatzes unterstützt. Die Weitergabe der einzelnen Muster wurde zudem vertraglich gebunden, um Verstöße gegen das Sortenrecht zu vermeiden.

Die Praxisbetriebe in diesem Verbund profitierten deutlich von den Erfahrungen der anderen und erhielten durch einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch einen hohen Erkenntniszuwachs.

In den ausgewählten, fachlich betreuten Leitbetrieben standen die produktionstechnischen Fragestellungen zum Umgang mit dem übergebenen Material im Vordergrund. Die Auswahl der Sorten erfolgte nach Verfügbarkeit des Saatgutes aus den jeweiligen Sortengruppen und der Option auf Nutzung. Im Zuge der sich sukzessive verbessernden Saatgutsituation sollte der Betrieb immer wieder neue Sorten zum Testen erhalten, um ihm eine spezielle Identitätsfindung mit „seiner“ Sorte zu ermöglichen.

Dazu bauten die Leitbetriebe die übergebenen Muster an, bereinigten die Bestände nach Bedarf und gewährleisteten eine sortenreine Ernte und Lagerung. Anbaudaten wurden in Schlagkarten erfasst. Wichtige Bonituren, z.B. zur Standfestigkeit und zum Krankheitsbefall oder zur Unkrautunterdrückung wurden durchgeführt und mündeten in Anbauhinweise z.B. zur Saatstärke oder zur optimalen Saatzeit. Sie dienten dann als Beratungsgrundlage für den späteren Praxisanbau.

Die ersten Anbauversuche zur Vermehrung brachten schon einige praxisrelevante Aussagen. Die technologischen Bedingungen der einzelnen Betriebe mussten allerdings völlig neu durchdacht werden. Somit bezogen sich viele Anbaudaten auf die konkreten Bedingungen des einzelnen Betriebes und waren damit lokal sehr unterschiedlich.

Im Laufe der Projektzeit wechselten einige der Betriebe, einige blieben von Anfang an „bei der Stange“ und bis heute dem Anbau alter Tomaten- und Getreidevarianten treu. Auf diesem Weg konnten in wenigen Jahren bis zu 40 Betriebe gleichzeitig in den Anbau und den Absatz für diese speziellen Produkte eingebunden werden.

Problematisch zeigten sich immer wieder schwankende Witterungseinflüsse, die bei der geringen Anbaufläche wesentlich stärker auf die Qualität und Quantität der Ernteprodukte durchschlagen. Beispielsweise wurden von einer Brauerei in der Kölner Region 30 t Braugerste für einen Versuchsbrausud benötigt. Die Absprachen vom März 2010 zur Erprobung eines Produktes aus einer Gerste (Goldtorphe) mit regional nachgewiesenem Anbau zur Gründerzeit dieser Brauerei verliefen positiv.

Auch der Anbau dieser Gerste auf zusammenhängenden 20 ha, die diese Menge sichern sollten, verlief sogar bei der starken Frühjahrstrockenheit ausgezeichnet, erst der kurz vor der Ernte einsetzende Dauerregen brachte den gesamten Bestand ins Lager und zum Durchwuchs - Keimung des reifen Korns. Der Landwirt entschloss sich zum Umbruch der Fläche – also auch keine Ernte zur Saatgutreproduktion! Durch den Totalausfall dieser Fläche blieb nur noch eine kleine Sicherungsmenge von ca. 10 kg Saatgut übrig. Diese Aussaatmenge könnte ab 2013 wieder für 1- 2 ha Vermehrungsfläche ausreichen.

Derartige Rückschläge erinnern immer wieder daran, auf eine weite Streuung des Saatgutes zu achten und zeigen deutlich den weiten Weg bis zur wirtschaftlichen Umsetzung von interessanten Projekten.