Aufbau eines eigenen Sortenpools

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Zu Beginn des Projektes wurde über Verbände, Vereine und allgemeine Pressekontakte nach in NRW vorhandenen Beständen von traditionell genutzten Arten und Sorten gesucht, die im weitesten Sinne dem Anspruch einer „Pflanzengenetischen Ressource“ entsprachen. Zu diesem Zeitpunkt wurden folgende Kriterien für derartige Sorten herangezogen:

Wann ist eine Sorte eine „Pflanzengenetische Ressource“?  

  • Der Anbau derartiger Arten bzw. Sorten ist historisch belegbar,
  • Die Art bzw. Sorte ist von Gen-Erosion bedroht,
  • Die Art bzw. Sorte ist den Anbaubedingungen weitestgehend angepasst,
  • Die Art bzw. Sorte sollte sich in ihrer Herkunft deutlich von den aktuellen Sorten unterscheiden z.B. andere Unterart, stark differenziertes äußeres Erscheinungsbild,
  • Sie sollte die große Spannweite der Agrobiodiversität zeigen: In großem genetisch bedingten Reaktionsvermögen auf Umweltbedingungen innerhalb der einzelnen Muster bzw. durch die Vielfalt der verfügbaren Genotypen.

Nach einer Inventur in 2001 wurden keine nennenswerten Mengen dieser Arten bzw. Sorten in Nordrhein-Westfalen nachgewiesen. Deshalb begann die Auswahl von Hofsorten oder Sorten, deren züchterische Bearbeitung in die Frühzeit der Züchtung (um 1900) zurückreicht und deren Nachkommen nicht im aktuellen Sortenspektrum aufgingen. Dabei wurde auf die Genbanken in Gatersleben und Groß Lüsewitz zurückgegriffen.

Unter Hofsorten wird dabei verstanden: Eng regional oder direkt innerhalb der wirtschaftlichen, zum Teil familiären Einheit von Generation zu Generation weitergereichte „Sorte“, die dadurch und ohne direkten züchterischen Eingriff eine anbautechnologische und klimatische Anpassung an den Standort erfahren hat. Sie kann aber aus ihrem wesentlich breitern genetischen Reaktionsvorrat auch unter abweichenden äußeren Verhältnissen Ihre Fähigkeiten weitergeben. Beispielsweise wird eine Gersten-Hofsorte, die in der Schwäbischen Alp mit typischen Schwankungen in extremen Temperaturen und Wasser ihre Gene jeweils an die Nachkommen reproduzieren konnte und dabei immer noch ein akzeptables Qualitätsergebnis brachte, auch in anderen Regionen auf zunehmende Klimaschwankungen reagieren können.

Genbanken

In der Genbank am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben lagern heute ca.150 000 Muster von 300 Arten, die entweder bei Sammelreisen in vielen wichtigen Ecken der Welt gefunden wurden oder die Kulturpflanzen repräsentieren, die in den letzten 150 Jahren in Mitteleuropa angebaut wurden. Darunter finden sich auch alte Landsorten und Sorten, die heute in ihren ursprünglichen Regionen und Züchterhäusern nicht mehr verfügbar sind. Auf derartige Muster konzentrierte sich das Projekt. Gleichzeitig wurde in der freien Wirtschaft nach Nutzungsmöglichkeiten für deren Verarbeitung gesucht, die den heutigen Technologien angepasst sind.

Die Auswahl der Sorten bzw. Muster

Die Auswahl der Sortenmuster konzentrierte sich im Schwerpunkt auf Getreide-, Kartoffel- und Tomatenformen, die in der gärtnerisch-bäuerlichen Praxis vergessen waren und deren Charaktere von denen der aktuellen Sorten deutlich abwichen. Vorausgesetzt wurde, dass eine sinnvolle Erhaltung alter Sorten nur möglich ist, wenn auch eine wirtschaftliche Nutzung erfolgt.

Die Basis für den Neuaufbau eines eigenen Pools gärtnerischer und landwirtschaftlicher Kulturen bildeten nun Genbankmuster aus den Genbanken des Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben (Gemüse, Getreide) und Groß Lüsewitz (Kartoffeln). Hauptaugenmerk für die Zusammensetzung der anzubauenden Kulturen lag auf der größtmöglichen Vielfalt von Arten und Sorten. Als Auswahlkriterien für die verwendeten Muster dienten in erster Linie regionale Bezüge und in zweiter Linie die Repräsentation der Vielfalt innerhalb der zu untersuchenden Pflanzengruppe.

Auf diesem Wege konnte durch das Modellvorhaben ein wertvoller Bestand an Pflanzenmustern aufgebaut, erhalten und auch in wirtschaftlichen Größenordnungen verfügbar gemacht werden. Es wurden insgesamt ca. 1000 Pflanzenmuster, darunter ca. 500 Getreidevarianten, angebaut. Der Anbau erfolgte jährlich auf ca 150 Parzellen. Dabei kamen Versuchsflächen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen für konventionelle Anbauverfahren bei Haus Düsse, Bad Sassendorf sowie für ökologischen Anbau in Köln-Auweiler zum Einsatz.

Aus diesen Anbauversuchen entwickelte sich im Modellvorhaben Kompetenz im Umgang mit der Sortenvielfalt. Hier werden mit einem eingespielten Team von Versuchstechnikern neben Tomaten und Getreide auch Kartoffeln, Kräuter, Salate, Linsen, Erbsen und Bohnen vermehrt, um diese an ausgewählte Praxisbetriebe abzugeben. Die dabei erzeugten materiellen Bestände an Saatgut bilden nun den Ausgangspunkt für ein regionales Erhaltungszentrum in NRW.