Workshop Nutzung alter Getreidesorten in der modernen Ernährung

Bäcker, Brauer und Brenner sind die essentiellen Partner bei der Entdeckung  „neuer“ Rohstoffe aus alten Getreidesorten.

Weil dieses Sortenspektrum so viele Variationen in Farbe, Geschmack und Genuss und damit auch wertvollen Inhaltsstoffen bietet, die in der Getreidezüchtung des letzten Jahrhunderts vernachlässigt wurden, standen Fragen um Anbau und Verarbeitung wieder im Zentrum des Interesses beim jährlichen Workshop zum Anbau pflanzengenetischer Ressourcen in NRW am 26. Juni 2014 auf „Haus Düsse“.

Neben der Kommunikation über die bisherigen Erfahrungen der einzelnen Akteure stellte sich immer wieder Frage nach Vernetzung der einzelnen Aktivitäten Ein Grund dafür ist, dass durch die Zunahme des Anbaues dieser Sorten die Verfügbarkeit der Bestände einzelner Sorten und eine wachsenden Vielfalt und an Kulturpflanzen nutzbar ist. Der wichtigste Antrieb um eine wachsende Kulturpflanzenvielfalt heute in den bäuerlichen Betrieben anzubauen, bleibt aber die Nachfrage nach diesen Rohstoffen! Dort entstehen die alles entscheidenden Schnittstellen zwischen den einzelnen Verarbeitungsstufen und die Chance auf individuelle Produkte!

Bei der Sortenauswahl für Verarbeitungsbeispiele gingen wir immer davon aus, dass in den letzten 120 Jahren die Züchtung primär auf die Steigerung und Absicherung der Kohlenhydraterträge ausgerichtet war, während in unseren Kulturpflanzen aber essentielle Inhaltstoffe beheimatet waren, die in unserer Ernährung stärker gewichtet werden sollten.

Spelzgetreide wie Emmer, Einkorn und Dinkel sind inzwischen eigentlich „alte Hüte“, aber die zunehmende Zahl der verfügbaren Sorten bringt ein erweitertes Spektrum an Inhaltsstoffen mit sich. Von den derzeit kaum genutzten vielfarbigen (hellgelb bis tief schwarz) Nacktgersten sind einzelne Sorten jetzt bis zu 30 t verfügbar, andere könnten im nächsten Jahr mit 1 t/Sorte für interessante Produktinnovationen bereit stehen!

Einige der Sorten haben neben den hohen ernährungsphysiologischen Wert eine hochinteressante Geschichte (in der Werbung sagt man wohl „Story“) Bei Analysen zeigten besonders die Werte von Antioxidantien, wie  Polyphenolen oder auch Ballaststoffe, wie Hemizellulosen und Beta Glucan Ergebnisse mit einer großen Streuung zwischen den einzelnen Sorten! Damit dürften sich einige Sorten in Ihren Werten derart empfehlen, dass sie inzwischen laut Health Claims-Verordnung in Lebensmitteln positiv beworben werden dürfen!

Im Rahmen des Workshops 2014 wurden wiederum interessante Beispiele zur Nutzung alter Getreidesorten vorgestellt. So präsentierte die „Biobackstube Ahaus“ wiederum bewährte Produkte, die schon seit 10 Jahren am Markt sind und neue Produkte wie Dinkel- Baguetten in hoher Qualität. Sehr interessant waren auch die ersten Brote aus „Champagner“- Roggen vom Bäcker Tollkötter aus Münster, die im Herbst 2014 auf den Markt kommen werden. Bei beiden Bäckern stellte sich als besonders positiv die enge Verbindung mit den jeweiligen Landwirten heraus. Aufsehen erregte ebenfalls ein neuer exklusiver Wodka aus „Champagner“ – Roggen, den Florian Renschin von der „FREIMUT Spirituosen GmbH“ vorstellte.

Über die Erfahrungen mit dem Verbrauen von 50 t „Heines Goldthorpe“ berichtet Herr Jürgen Duys, Leiter Qualitätssicherung der „Cölner Hofbräu P. Josef Früh KG“.  Demnach konnten mit der alten Gerste aus der Gründungszeit der Kölsch-Brauerei mit den heutigen Technologien sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Die grundlegenden Ansprüche der Brautechnologie an die Braurohstoffe erläuterte Frau Dr. M. Gastl vom Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie Weihenstephan.

Die Vorträge von Herrn Habeck von der Universität Hohenheim und Herr Dr. K. Münzig vom M. Rubner-Institut aus Detmold konzentrierten sich auf den Komplex Anbau- und Backtechnische Erfahrungen mit Spelzgetreiden, wie Einkorn, Emmer oder Dinkel. Hier haben sich in den letzten Jahren rege Entwicklungen vollzogen.

Wie sich stabile Wertschöpfungsketten entwickeln, um den Anbau alter Sorten durch Nachfrage zu rechtfertigen und wie es gelingt derartig neue Produkte, wie Emmer oder Nacktgerste dem Verbraucher schmackhaft zu machen, zeigte Frau Prof. Dr. C. Strassner von der FH Münster in ihrem Vortrag. Dabei wurde deutlich, dass vor der Ausweitung der Rohstoffproduktion für innovative Produkte, die Vermarktungsfähigkeit der bisher weitgehend unbekannten Produkte gesichert sein sollte.

Die Wichtigkeit der Kommunikation mit dem Verbraucher, Konnte Frau C. Bantle auf der Basis von Untersuchungen der Uni Kassel unterstreichen. Dort wurde das Verbraucherverhalten speziell in Bezug auf die Erhaltung der genetischen Vielfalt durch Befragungen ausgelotet.

Der Vorabend nach der Anreise, die Zeit neben den Vorträgen und auch die Möglichkeiten bei der Feldbegehung zu den Versuchen der Landwirtschaftskammer gaben sehr viele Chancen für gegenseitige Gespräche und Kontakte. Die Teilnehmer waren sich einig, wie wichtig eine engere Vernetzung ist und freuen sich auf positive Berichte darüber bei der Nachfolgeveranstaltung am 24. Juni 2015 auf „Haus Düsse“.

Vorträge auf der Tagung

  • Nutzung alter Getreidesorten in der modernen Ernährung
    B. Apel, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
  • Vorstellung der Versuche der Landesinitiative
    U. Schulze, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
  • Einkorn, Emmer und Dinkel – agronomische Eigenschaften und Konsequenzen für den erfolgreichen Anbau
    B. Habeck, Universität Hohenheim
  • Verarbeitung der Spelzweizen Einkorn, Emmer und Dinkel
    Dr. K. Münzing, „Max Rubner“ Institut Detmold
  • Ansprüche der Brauverfahren an den Rohstoff – Braugerste
    Dr. M. Gastl, TU München
  • Auswertung des Brauversuches und Erfahrungen mit Goldthorp-Gerste
    J. Duys, Brauerei „Früh“
  • Partnerschaft vom Landwirt bis zum Verbraucher
    Prof. Dr. C. Strassner, FH Münster
  • Vielfalt erhalten mit Messer und Gabel
    C. Bantle (M.Sc.), Uni Kassel
  • Der ernährungsphysiologische Wert alter Tomatensorten
    S. Krauß, Technische Universität München
  • Vorankündigung für die nächste Tagung am 26.06.2015

Auf Wunsch schicken wir Ihnen die Vorträge gerne per E-Mail zu. Schreiben Sie bitte an stefan.bohres@lwk.nrw.de.