Kraftfutter beim Automatischen Melksystem - in den Trog oder in die Melkbox?

Melkroboter

Einfluss unterschiedlicher Kraftfutterniveaus in der Mischration am Trog auf Leistungsparameter von Milchkühen beim Automatischen Melken

Die Inbetriebnahme eines Automatischen Melksystems (AMS) hat nicht nur Auswirkungen auf die Melkarbeit und den Melkvorgang, sondern sie beeinflusst auch die Fütterung und hier insbesondere die Versorgung der Kühe mit Milchleistungsfutter. In herkömmlichen Melksystemen sind die Funktionsbereiche Futteraufnahme, Laufen und Liegen sowie Milchabgabe räumlich voneinander getrennt, so dass jeder Bereich für sich entsprechend der jeweiligen Anforderungen optimiert werden kann. Beim automatischen Melken müssen die Funktionsbereiche Kraftfutteraufnahme und Milchabgabe zeitgleich in der Melkbox vollzogen werden, ohne hierbei die Anforderungen an ein Euter schonendes Melken und an ein leistungs- und wiederkäuergerechtes Füttern zu missachten.

Neben der Melkfrequenz und der Kraftfuttermenge ist die Energiedichte der aufgewerteten Grobfutterration eine weitere Steuerungsgröße für den erfolgreichen Betrieb eines automatischen Melksystems. Ein hoher Kraftfutteranteil in der Mischration bewirkt ein hohes Milchbildungspotenzial aus der Ration, was zu geringeren Kraftfuttergaben im Melkautomaten führt. Die Akzeptanz des Melkautomaten kann sich hierdurch verringern, womit eine reduzierte Melkfrequenz verbunden ist.

Über die Ergebnisse eines Fütterungsversuchs im Landwirtschaftszentrum Haus Riswick mit unterschiedlichem Kraftfutteranteil in der Mischration beim automatischen Melksystem wird im Folgenden berichtet.

Wie wurde vorgegangen?

Für diesen Fütterungsversuch stand die Melkautomatengruppe von rund 55 hochleistenden Milchkühen der Rasse Deutsche Holstein zur Verfügung. Der Versuchsstall war mit einem automatischen Melksystem, 1-Box-Anlage der Firma Lemmer-Fullwood, und insgesamt 24 Futtertrögen mit Wiegeeinrichtung ausgestattet. In drei zeitversetzten Stufen wurden jeweils über mehrere Wochen hinweg aufgewertete Mischrationen mit einem kalkulierten Milchbildungsvermögen von 20 kg in Stufe 1, 25 kg in Stufe 2 und 30 kg in Stufe 3 einschließlich des Erhaltungsbedarfs an alle Kühe in der Zeit von Dezember 2008 bis August 2009 verabreicht. Am Melkautomaten wurde die leistungsabhängige, tierindividuelle Kraftfuttermenge gemäß einer bedarfsgerechten Energieversorgung (DLG 2001) ergänzt. Die Mischrationen setzten sich aus etwa gleichen Anteilen von Mais- und Grassilage, Rapsextraktionsschrot, Milchleistungsfutter, Stroh und Mineralfutter zusammen. Die Zusammensetzung sowie einige Kenngrößen der verabreichten Mischrationen sind in der Tabelle 1 dargestellt. Die Futtervorlage erfolgte einmal täglich in Wiegetrögen, aus denen die Tiere ad libitum fressen konnten.

In den Mischrationen und im Melkautomat wurde das gleiche Milchleistungsfutter verabreicht, wobei das MLF für die Mischration nicht pelletiert war. Die maximal tägliche Kraftfuttermenge im Melkautomat betrug in der Stufe 1 für Kühe 12,5 kg und für Färsen 10,0 kg, da für Färsen eine geringere Futteraufnahme und damit ein um 4 kg geringeres Milchbildungsvermögen aus der Aufnahme der Mischration angenommen wird. In den Stufen 2 und 3 wurde entsprechend der Aufwertung der Mischration weniger Kraftfutter im Melkautomat zugeteilt. Je Melkung wurden maximal 2 kg Kraftfutter verabreicht, wobei der Kraftfutterabruf nur in Verbindung mit einer Melkung möglich war. Ein Melkanrecht bestand, wenn mehr als 8 kg Milch zu erwarten waren.

Kühe, die innerhalb von 10 Stunden nach einer Melkung die Melkbox nicht freiwillig aufsuchten, wurden bei den morgendlichen und abendlichen Stallzeiten durch eine betreuende Person nachgetrieben.

Für jede Stufe wurde den Tieren eine Eingewöhnungszeit von vier Wochen gewährt, um dann für die nächsten ca. fünf bzw. sieben Wochen die Futteraufnahme, die Milchmenge und Milchinhaltsstoffe sowie die Melkfrequenzen und den Nachtreibeaufwand zu erfassen.

Die Tabelle 2 informiert über die tierbezogenen Daten in den drei Stufen. Der Rückgang der durchschnittlichen Laktationstage von 194 in Stufe 1 auf 164 in Stufe 3 erklärt sich durch das Trockenstellen von Altmelkern und das Hereinnehmen von frisch abgekalbten Kühen.

Die statistische Auswertung wurde am Institut für Tierwissenschaften, Abteilung Tierernährung, der Universität Bonn mit Hilfe von SAS-Prozeduren vorgenommen. Zur Anwendung kam ein gemischtes Modell mit den Faktoren Stufe, Laktationsnummer, Laktationstag, Versuchstag, Tier und Restfehler.

Welche Ergebnisse wurden erzielt?

In der Tabelle 3 sind die realisierten Futteraufnahmen für die drei geprüften Stufen dargestellt. Mit zunehmendem Kraftfutteranteil in der Mischration steigt die Mischrationsaufnahme von 14,0 kg TM in Stufe 1 über 15,4 kg TM in Stufe 2 bis auf 17,2 kg TM in Stufe 3. Die tierindividuell im Melkautomaten aufgenommen Kraftfuttermengen sinken von 5,5 kg TM auf 3,6 kg TM. In der Gesamtfutteraufnahme ist die Stufe 3 um 1,3 kg TM gegenüber der Stufe 1 überlegen. In allen Stufen liegen die realisierten Futteraufnahmen unterhalb der Werte aus der Rationskalkulation.

Die Tabelle 4 informiert über die erzielten Milchmengen und Milchinhaltsstoffe in den geprüften Stufen. Mit zunehmendem Kraftfutteranteil in der Mischration steigt die tägliche Milchmenge. Die Fett- und Eiweißgehalte in der Milch sinken. Die energiekorrigierten Milchleistungen (ECM) steigen bei höherer Energiedichte in den Mischrationen. Für alle drei Stufen wird eine hohe Melkfrequenz ermittelt. Wenn mehr Kraftfutter über die Mischration verabreicht wird und dementsprechend geringere tierindividuelle Kraftfutteranrechte in der Melkbox bestehen, sinkt die Melkfrequenz von 3,3 auf 2,9 Melkungen je Tier und Tag. Bezüglich der Leistungsfähigkeit der Melkbox wird in der Stufe 1 mit 1.545 kg Milch je Tag der geringste Wert erzielt. Die Stufen 2 und 3 erreichen mit gut bzw. knapp 1.900 kg Milch je Box und Tag eine zufriedenstellende Ausnutzung.

Eine weitere wichtige Kenngröße beim automatischen Melken ist der Anteil der nachgetriebenen Tiere. Hierunter sind solche Kühe zu verstehen, die nicht freiwillig die Melkbox aufsuchen und deshalb durch eine betreuende Person nachgetrieben werden müssen. In der Tabelle 5 sind die Erhebungsbefunde bezüglich des Nachtreibeaufwands dargestellt.

Die Anzahl der täglichen Nachtreibungen beträgt in der Stufe 1 im Durchschnitt 8,0 Nachtreibungen, was gemessen an der Gesamtkuhzahl einen Anteil von 15,7 % bedeutet. Wenn mehr Kraftfutter über den Mischwagen und gleichzeitig weniger im Melkautomat verabreicht wird, erhöht sich der Anteil der täglichen Nachtreibungen auf 19,8 % in Stufe 2 und 32,8 % in Stufe 3. Mit zunehmender Aufwertung der Mischration wird der Nachtreibeaufwand demnach größer.

In der Stufe 1 müssen im gesamten Verlauf des 32-tägigen Beobachtungszeitraumes 80 % der Tiere zur Melkbox getrieben werden. Der Anteil der nachgetriebenen Kühe erhöht sich in Stufe 2 auf 90 und in Stufe 3 auf 98 %. Es müssen nach diesen Ergebnissen also immer wieder andere Kühe zur Box geführt werden.

Das Acidosegeschehen in den geprüften Fütterungsstufen wurde über die Messung der Netto-Säuren-Basen-Ausscheidung (NSBA) im Harn gemessen. Der NSBA-Referenzbereich liegt zwischen 80 und 220 mmol/l bei Proben von Einzeltieren. Niedrigere NSBA-Werte lassen auf eine Acidose schließen. Die Untersuchungsbefunde bezüglich der NSBA-Werte zeigt die Tabelle 6. Die mittleren NSBA-Werte sinken von Stufe 1 zu Stufe 3 deutlich ab. Insbesondere der Anteil der Tiere mit Werten unter 80 mmol/l ist mit gut 30 % in der Stufe 3 am höchsten, was einen deutlichen Hinweis auf vermehrte subklinische Acidosen darstellt.

Diskussion

Ein Milchviehhalter mit einem automatischen Melksystem kann das erforderliche Kraftfutter über den Mischwagen am Trog oder in der Melkbox zuteilen. Um eine zufriedenstellende Melkfrequenz zu erzielen kann auf die Kraftfuttergabe im Automat nicht verzichtet werden. Der vorliegende Versuch sollte klären, welche Aufteilung des Kraftfutters sinnhaft ist.

In der Stufe 1 wurden im Durchschnitt 1,8 kg TM Kraftfutter über den Mischwagen und 5,5 kg TM tierindividuell in der Melkbox gegeben. Mit dieser Futtersituation wurden die höchste Melkfrequenz und der geringste Nachtreibeaufwand erzielt. Die Acidosebelastung der Tiere war eher gering, da mit 7,3 kg TM Gesamtkraftfuttermenge keine übermäßigen Kraftfuttermengen gegeben wurden. Dies erklärt sich insbesondere dadurch, dass etliche hochleistende Kühe die zugeteilten Kraftfutteranrechte wegen der Mengenbegrenzung auf 2 kg Kraftfutter pro Melkung nicht ausgeschöpft haben. Bei einer durchschnittlichen Milchmenge von gut 30 kg wurden in der Melkbox täglich 1.545 kg gemolken. In den Stufen 2 und 3 wurden täglich um die 1.900 kg Milch in einer Melkbox erzeugt, womit die Vorgaben der Beratung gut erreicht wurden. Insbesondere die Anzahl der Melkungen nimmt mit höherem Kraftfutteranteil in der Mischration und entsprechend geringeren individuellen Kraftfutteranrechten in der Melkbox ab. Dies ist aber nicht dramatisch, da die Auslastung des AMS über die produzierte Milchmenge gegeben ist. Dies macht deutlich, dass die Melkfrequenz nicht ausschließlich als Kontrollparameter in den Mittelpunkt zu stellen ist. Wesentlich bedeutsamer ist die täglich erzeugte Milchmenge in einer Box.

Mit im Mittel 36,5 kg Milch wurden in der Stufe 3 die höchsten Einzeltierleistungen erzielt, wozu ein Kraftfutteraufwand von 9,1 kg TM erforderlich war. Gut ein Drittel hiervon wurde tierindividuell in der Melkbox und die restlichen zwei Drittel über den Mischwagen verabreicht. Der durchschnittliche Kraftfutteraufwand liegt mit 280 g je kg ECM oberhalb der anderen Stufen und auch oberhalb der Beratungsempfehlungen, nach denen zwischen 230 und 270 g Kraftfutter je kg ECM sinnvoll sind. Dieser höhere Kraftfutteraufwand wird vor allem durch den Luxuskonsum der niederleistenden Kühe hervorgerufen. Bedenklich stimmen auch die Befunde zu den NSBA-Werten. Bei etwa ein Drittel der untersuchten Kühe wurde der Referenzwert unterschritten, und es zeigten sich subklinische Acidosen. Dies steht in Übereinstimmung mit den niedrigen Fettgehalten von 3,64 % in dieser Fütterungsstufe. Des Weiteren führt die hohe Energieversorgung über die Mischration zu einer reduzierten Laufbereitschaft der Kühe, was sich in verringerten Melkfrequenzen und vor allem stark erhöhtem Nachtreibeaufwand bemerkbar macht.

Bei der Rationsberechnung zu Versuchsbeginn wurde die Futteraufnahme nach Gruber et al. (2005) abgeschätzt. Aus der Mischration sollten 16,1 kg TM in Stufe 1, 18,3 kg TM in Stufe 2 und 19,8 kg TM in Stufe 3 aufgenommen werden. Die tatsächlich realisierten Futteraufnahmen aus der Mischration betragen in den jeweiligen Stufen 14,0 kg, 15,4 kg bzw. 17,2 kg TM je Tier und Tag, womit Differenzen von etwa 2 bis 3 kg TM zu den kalkulierten Futteraufnahmen bestehen. Erklären lässt sich diese Differenz durch die Verdrängung von Mischrationstrockenmasse durch die tierindividuelle Konzentrataufnahme in der Melkbox. Zu berücksichtigen ist ferner, dass Färsen eine geringere Futteraufnahme als mehrkalbige Kühe haben, was in den angegebenen Werten für die Rationskalkulation nicht berücksichtigt ist.

Seitens der Beratung wird für automatisch melkende Betriebe empfohlen, die Energiedichte in der Mischration so einzustellen, dass sich damit die mittlere Herdenleistung abzüglich 6 bis 8 kg Milch energetisch erzeugen lassen (DLG, 2010). Die Differenz zwischen dem Milchbildungsvermögen der kalkulierten Ration und der mittleren Milchleistung in den Stufen beträgt 10,6 kg für die Stufe 1, 6,7 kg für die Stufe 2 und 4,6 für die Stufe 3. In Stufe 1 wird die Beratungsempfehlung deutlich überschritten, was im vorliegenden Versuch zur Folge hatte, dass die hohen tierindividuellen Kraftfutteranrechte nicht ausgeschöpft wurden und insgesamt eine verringerte Milchleistung eintrat. In Stufe 3 kam es zu einer deutlichen Unterschreitung der Beratungsnormen. Unter diesen Bedingungen stellten sich im Versuch ein erhöhter Nachtreibeaufwand, vermehrt subklinische Acidosen sowie ein erhöhter Kraftfutteraufwand je kg Milch ein. Die Daten der Stufe 2 zeigen, dass bei Einhaltung der Beratungsempfehlungen eine hohe Produktivität der Melkbox bei akzeptablem Nachtreibeaufwand und physiologisch verträglichem Kraftfutterverbrauch möglich ist.

Schlussfolgerungen

  1. In den durchgeführten Versuchen wurde in allen Fütterungsstufen mit Werten von 2,9 bis 3,4 eine hohe Melkfrequenz erzielt. Wichtiger als die Anzahl Melkungen je Kuh und Tag ist allerdings die täglich ermolkene Milchmenge je Melkbox. Diese Größe ist vor allem abhängig von der Anzahl der gemolkenen Kühe und deren durchschnittlicher Leistung. Ziel sollte es sein, mindestens 1.900 kg Milch je Box und Tag zu erzeugen, weil nur dann eine gute Auslastung des teuren Melksystems erreicht werden kann.
  2. Eine geringe Energiedichte in der vorgelegten Mischration, ausgelöst durch nur geringe Mengen an Konzentratfuttern in der Mischration, führt dazu, dass in der Melkbox hohe Kraftfuttermengen angeboten werden müssen, um die Energieversorgung hoch leistender Kühe zu sichern. Die Akzeptanz der Melkstation wird dadurch erhöht, was sich in einer hohen Melkfrequenz und geringem Nachtreibeaufwand wider spiegelt. Insbesondere Kühe mit hohem Kraftfutteranrecht sind aber nicht in der Lage, die zugeteilten Kraftfuttermengen abzurufen, so dass das Milchbildungspotenzial nicht ausgeschöpft wird.
  3. Ein hoher Kraftfutteranteil in der Mischration führt zu einer hohen Mischrationsaufnahme und damit zu einer guten Energieversorgung der Tiere. In der Melkbox wird deshalb deutlich weniger Kraftfutter zugeteilt. Dies verursacht eine geringere Akzeptanz des Melkautomaten. Die Melkfrequenz sinkt und der Nachtreibeaufwand steigt sehr stark an. Es zeigten sich vermehrt subklinische Acidosen. Der Kraftfutteraufwand erhöht sich, da viele alt melkende Kühe energetisch überversorgt sind und die Gefahr einer Überkonditionierung gegeben ist.
  4. Zwischen der tatsächlichen Herdenleistung und dem Milchbildungspotenzial der vorgelegten Mischration sollte nach Beratungsaussagen eine Differenz von 6 bis 8 kg Milch bestehen. Diese Vorgabe wurde im vorliegenden Versuch in der Stufe 2 erreicht. Unter solchen Bedingungen ergaben sich eine gute Akzeptanz der Melkbox, ein verträglicher Nachtreibeaufwand, eine zufriedenstellende Milchleistung und eine sehr gute Auslastung des Melksystems.
  5. Die Untersuchungen haben sehr deutlich gemacht, dass die Kühe vorwiegend wegen der Möglichkeit zur Kraftfutteraufnahme die Melkbox freiwillig aufsuchen. Automatisches Melken ohne Kraftfuttergabe in der Melkbox wird nicht funktionieren.
  6. Zufriedenstellende Melkfrequenzen auf Basis freiwilliger Melkboxenbesuche lassen sich außerdem nur erzielen, wenn sich die Tiere schmerzfrei bewegen können. Eine intensivierte Klauenpflege ist deshalb unabdingbar mit dem automatischen Melken verbunden.

Autoren

  • Dr. Martin Pries, Annette Menke, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Tierproduktion, Münster
  • Claudia Verhülsdonk, Silke Beintmann, Dr. Klaus Hünting, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Landwirtschaftzentrum Haus Riswick, Kleve
  • Jens Benninghoff und PD Dr. Ernst Tholen, Universität Bonn, Institut für Tierwissenschaften

Tabellen und Literatur