Landessortenversuche Wintergerste 2008

Getreidequalität

Zufriedenstellende Wintergerstenerträge, gute Qualität

Landesweit lässt sich das Vegetationsjahr 2007/2008 als normales Getreidejahr ohne größere Probleme charakterisieren. Regional gab es witterungsbedingt einige Aussaat-, frühzeitigere Lager-, Halmknicken- und Hagelprobleme, so dass dort die Erträge und Qualitäten stärker litten. Herausragende Krankheitskalamitäten waren bei der Wintergerste nicht vorhanden. Die Ernte startete gegen Ende Juni im Rheinland, zögerte sich landesweit allerdings bis etwa zum 20. Juli hinaus. Wie sich die Sorten in den Landessortenversuchen, stellen Dr. Joachim Holz und Heinz Koch, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, vor.

Gegenüber den Vorjahren seit dem Jahr 2000 verzeichnet die diesjährige Wintergerste-Anbaufläche in NRW nach ersten vorläufigen Schätzungen des statistischen Landesamtes, Düsseldorf, mit gut 190 300 ha das bislang höchste Niveau. Gegenüber dem letzten Jahr ist die Anbaufläche um knapp 10 000 ha ausgedehnt worden, siehe Tabelle 1. Mit über 6 000 ha ist die größte Flächenzunahme im westfälisch-lippischen Landesteil zu verzeichnen. Gegenüber dem außergewöhnlichen Witterungsverlauf des Vorjahres lässt sich - für die drei großen klimatisch stärker differenzierenden Landesteile Rheinland, Münsterland und Ostwestfalen-Lippe - in diesem Vegetationsjahr von Oktober 2007 bis Juni 2008 ein im monatlichen Mittel um jeweils 2 bis 3 °C kühlerer Temperaturverlauf ermitteln. Im Unterschied zum vergangenen Jahr war im Rheinland und Münsterland wieder eine einmonatige, in Ostwestfalen-Lippe sogar eine dreimonatige Vegetationsruhe mit Temperaturen unter 5 °C vorhanden. Entscheidend für die wesentlichen Ertragsbildungsprozesse bei der Wintergerste, aber auch den anderen Getreidearten, war sicherlich in diesem Jahr der April, der mit im Mittel um 5 °C deutlich kühler war und sich damit wieder auf Normalniveau bewegte. Im Zusammenhang mit den in diesem Monat auch ausreichenden Niederschlägen konnten die Ertragsbestimmungsfaktoren Bestandesdichte und Kornzahl je Ähre ausreichend gesichert und stärker angelegt werden.

Interessant ist der Witterungsvergleich zum bisherigen absoluten Ertragsspitzenjahr 2001: Danach liegen im Mittel die Niederschläge von Oktober bis Juni mit 600 mm im Jahr 2001 zu 570 mm im Jahr 2008 auf fast gleichem Niveau und auch der Temperaturverlauf von Februar bis Juni ist in diesen beiden Jahren fast deckungsgleich. Ebenfalls erstaunlich ist die Sonnenscheindauer, die nur um 30 Stunden im abgelaufenen Vegetationsjahr gegenüber 200/2001 höher liegt. Mit insgesamt 1 026 Sonnenscheinstunden, wie annähernd 2001, weist das abgelaufene Vegetationsjahr fast exakt nur die Hälfte des vorigen Jahres auf. Insgesamt kühlere, feuchtere und bedeckte Vegetationsjahre sind für das Erzielen hoher Erträge und Qualitäten beim Getreide in hiesigen Breiten immer die besseren Jahre.

Deutlicher Mehrertrag

Im Mittel der 16 auswertbaren Landessortenversuche aus den verschiedenen Anbauregionen ist gegenüber dem Vorjahr daher auch ein deutlicher Mehrertrag von 10,3 % zu errechnen. Aufgeteilt nach den verschiedenen Ackerbauregionen zeigen sich hier extreme Streubreiten. Gegenüber dem Vorjahr ergaben sich auf den Lößstandorten Mindererträge von 14 %, auf den Lehmstandorten waren Mehrerträge von 10 %, auf den Sandstandorten sogar von 32 % und in den Höhenlagen von 11 % zu verzeichnen. Bei den hl-Gewichten konnte im Mittel aller Versuche mit 64,4 kg/hl gegenüber dem Vorjahr ein leicht besseres Ergebnis erzielt werden, wobei auf den Lehm-, Löß- und Höhenstandorten kaum eine Veränderung vorhanden war, während auf den Sandstandorten teilweise fast ein Weizen-hl-Gewichtsniveau bis über 70 erzielt werden konnte.

Auffällig in diesem Jahr war an einigen Standorten bereits ein sehr zeitiges Halmknicken im Bereich des zweiten Halmknotens. Beziehungen zur sortenindividuellen Anfälligkeit ließen sich nur ansatzweise herstellen. Sichere Erklärungsansätze für dieses Phänomen lassen sich noch nicht anführen. Inwieweit abrupte Witterungswechsel von wolkenreichen, kühlen, zu strahlungsintensiven, heißen Verhältnissen - vielleicht auch im Zusammenhang mit Wachstumsregler- und oder Fungizideinsätzen - Einflüsse auf die Strohstabilitätseigenschaften der Halme gehabt haben können, müssen in Folgejahren genauer beobachtet werden.

Die Analyse der Erträge im Vergleich zum Vorjahr zeigt im Mittel der geprüften Sorten, dass auf den Lehmstandorten der diesjährige Ertrag gerade noch gerettet werden konnte durch eine vergleichsweise höhere Kornzahl je Ähre bei sehr guter TKM, siehe Tabelle 2. Die niedrigeren Bestandesdichten spiegeln, wie auch in der Praxis, die problematischen Aussaatverhältnisse des nassen Herbstes sowie des nasseren Märzes wider. Auf den Sandstandorten zeigt die in der Hauptvegetationszeit vorhandene gleichmäßige Niederschlagsverteilung, dass die damit verbundenen, sehr guten Bestandesdichten und hohe Kornzahlen je Ähre bei noch guter TKM zu den diesjährig sehr guten Erträgen geführt haben. Eine mit den Sandstandorten vergleichbare Ertragsstruktursituation ergibt sich ebenfalls in den Höhenlagen.

Die Landessortenversuche

In Nordrhein-Westfalen wurden im Vegetationsjahr 2007/2008 an insgesamt zehn Standorten die Landessortenversuche Wintergerste angelegt, davon konnte einer, der Standort Kerpen-Buir, infolge von Hagelschlag nicht ausgewertet werden. Durch Hinzunahme standörtlich passender Landessortenversuchsergebnisse aus dem benachbarten Kammergebiet Niedersachsen bieten diesjährig damit insgesamt 16 Versuchsstandorte eine sehr breite und sichere Grundlage für die exakte Bewertung der Sortenleistungen. Unter Berücksichtigung der Vorjahresergebnisse bilden die Landessortenversuchsergebnisse damit die einzige zuverlässige Grundlage für die sichere Vorausschätzung über die nächstjährig zu erwartenden standortspezifischen Ertrags- und Qualitätsleistungen der Sorten in den jeweiligen Anbauregionen von NRW.

Die Prüfung der Wintergerstesorten erfolgte im Anbaujahr 2007/2008 wieder in zwei Intensitätsstufen B1 und B2, siehe Tabelle 3. Die gegenüber B1 höheren Produktionskosten in der B2-Variante entsprechen in diesem Jahr bei einem Erzeugerpreis von 18 € je dt einem notwendigen Mindestmehrertrag gegenüber B1 in Höhe von 5,9 dt je ha. Wie aus der Tabelle 4 aus den unteren Zeilen zu ersehen, war in diesem Anbaujahr die höhere Intensitätsstufe B2 im Mittel über alle Sorten auf allen Versuchsstandorten immer wirtschaftlich. Im Durchschnitt über alle Standorte und Sorten konnten durch die höhere Intensität rund 13 % Mehrertrag erzielt werden.

Ertrags- und Qualitätsleistungen der Sorten

Als praxisnahe Grundlage für gut gesicherte Sortenempfehlungen sind die mehrjährig erzielten Leistungen der Sorten aus der höheren Intensitätsvariante B2. Die in den Exaktversuchen zwischen einigen Sorten ermittelten Ertragsdifferenzen von 1 bis 2 % lassen sich in der Praxis nicht wiederfinden. Deshalb sollten solche geringen Differenzen keinen übermäßigen Einfluss auf die Bewertung und letztlich die Sortenwahl haben. Auch ein im aktuellen Jahr mal unterdurchschnittliches Ertragsergebnis einer sonst sich mehrjährig bewährten Sorte sollte nicht überbewertet werden, vor allem, wenn die eigenen Anbauerfahrungen mit dieser Sorte bislang gut waren. Bezüglich der Bewertung der eigenen Praxisergebnisse von Sorten im Vergleich zu den Ergebnissen aus den Landessortenversuchen ist aber auch zu bedenken, dass maximal drei Sorten auf dem eigenen Betrieb im Vergleich stehen, teilweise unter unterschiedlichen Bedingungen angebaut. Die exakte Beurteilung der Leistungsfähigkeit dieser Sorten ist damit eingeschränkt. In den Landessortenversuchen dagegen müssen sich diese Sorten gegenüber 15 bis 20 anderen Sorten unter verschiedenen Bedingungen in mehrfacher Wiederholung messen lassen, so dass hier der Vergleich um ein Vielfaches schärfer und genauer ist. Vor diesem Hintergrund ist zu erklären, dass die eigenen, möglicherweise noch guten Anbauerfahrungen mit einer Sorte sich nicht unbedingt mit einem korrespondierenden guten Sortenergebnis aus den Landessortenversuchen decken.

Als allgemein, im Zuge des Klimawandels gesicherte Erkenntnis gilt, dass Witterungsextreme zukünftig wohl zunehmen werden. Für die Sortenwahl bedeutet dieses im Sinne einer Ertrags-Risikostreuung, dass, je nach einzelbetrieblichem Umfang der Wintergerstenfläche, mindestens zwei Sorten angebaut werden sollten. Deutlich unterschiedliche Entwicklungs- und Reifezeitpunkte bei den Sorten ermöglichen darüber hinaus auch, Arbeitsspitzen bei Düngung, Pflanzenschutz und Ernte zu entzerren.

Der Tabelle 4 sind die diesjährig an den verschiedenen Prüfstandorten in den jeweiligen Ackerbauregionen erzielten Sortenertragsleistungen, absteigend sortiert nach ihrem Gesamtmittel über alle Standorte, zu entnehmen. Auch im diesjährigen Ergebnis zeigen die vorjährig schon empfohlenen Sorten Lomerit, Alinghi, Fridericus und Naomie und eingeschränkt Laverda überwiegend ihre Ertragsbeständigkeit und damit auch weiterhin ihre Anbauwürdigkeit. Die jetzt zweijährig geprüften neueren Wintergerstensorten Leibniz und Highlight zeigen sich nicht überragend besser als die mehrjährig geprüften Leistungsträger, zeigten aber dieses Jahr ansprechende Leistungen, so dass sie in bestimmten Anbauregionen zum Probieren zu empfehlen sind. Bei den neueren, erst einjährig geprüften Sorten Zzoom (Hybridsorte), Nerz, Pelican, Amarena und Wendy, einem Laverda-Typ, zeigen sich zumindest in diesem Jahr gegenüber den etablierten Sorten keine deutlich herausragenden Ergebnisse.

Die erstmals geprüfte Hybridsorte Zzoom, welche nur mit zwei Dritteln der Normalsaatstärke gedrillt wurde, zeigte unter den diesjährigen Bedingungen überwiegend sehr gute Ertragsergebnisse, welche aber auch von den normalen Liniensorten häufig erzielt wurden. Unter Berücksichtigung der bei Hybridsorten höheren Saatgutkosten hat Zzoom sich in diesem Jahr damit nicht deutlich überlegen gezeigt, was auf Grund der Heterosiseffekte und der daraus postulierten höheren Vitalität und Robustheit von Züchterseite hervorgehoben und erwartet wird.  Die Sorte Nerz weist als interessantes Merkmal eine Doppelresistenz auf. Sie ist nicht nur gegenüber Gelbmosaikvirustyp 1, sondern auch gegenüber dem milderen Gelbmosaikvirustyp 2 resistent. Auf einigen Lehmstandorten im Bereich südliches Münsterland und Ostwestfalen-Lippe werden mittlerweile Befallsstandorte registriert. Inwieweit sich diese Resistenz tatsächlich in einer höheren Ertragssicherheit auf solchen Standorten auswirkt, lässt sich zurzeit noch nicht eindeutig bestimmen, da zu wenige spezielle Versuchsergebnisse vorliegen. Allerdings zeigt diese Sorte hinsichtlich der Ertragspotenz auf den Lehm- und Höhenstandorten in diesem Jahr gute Ergebnisse. Die erstjährigen Ergebnisse der neuen Sorten zeigen damit insgesamt keine neuen deutlich besseren Leistungsträger.

Erstmalig in diesem Jahr wurden auch spezielle Winterbraugerstensorten mit differenzierter, auf Braugerstenqualität ausgerichteter Stickstoffdüngung mit geprüft. Vor allem die Sorte Wintmalt zeigte im Vergleich zu den Standard-Futtergerstensorten noch durchaus passable Ertragsleistungen. Die Eiweißuntersuchungen zeigten bei diesen Sorten, dass unter allen Versuchsstandortbedingungen 2008 in keinem Fall der höchstzulässige Eiweißgehalt von 11,5 % bei 86 % TS überschritten wurde - bei einem gegenüber dem Futtergerstenpreis um 2 bis 3 € je dt höheren Erzeugerpreis somit wirtschaftlich eine nicht uninteressante Alternative.

Die sehr frühreifen Sorten Siberia und Ketos konnten in diesem Jahr ihre durchaus als günstig zu beurteilende Frühreife nicht überall in zufriedenstellenden Erträgen zeigen. Trotzdem sollte man diese Sorten nicht ganz unbeachtet lassen. Vor allem auf leichten Standorten können sie wegen ihrer früheren Entwicklung Trockenheitskalamitäten besser überstehen.

Aus der Tabelle 5 sind die hl-Gewichte der Sorten zu entnehmen. Es zeigen sich mehrjährig deutliche Sortenabhängigkeiten. Sorten wie Lomerit, Leibniz und Ketos erzielen, genetisch bedingt, immer deutlich überdurchschnittliche, Alinghi und Fridericus gut durchschnittliche und Laverda, Highlight, Nerz und Zzoom leicht unterdurchschnittliche hl-Gewichte. Im Mittel der Sorten und Standorte lässt sich durch die höhere Intensität auch das hl-Gewicht um rund 4 % positiv beeinflussen. In Tabelle 6 sind die agronomischen Sortenleistungsmerkmale aufgeführt. Differenziert nach den vier Ackerbauregionen von NRW sind unter besonderer detaillierter Einzelstandortberücksichtigung der Vorjahresergebnisse die entsprechenden Sortenempfehlungen in der Tabelle 7 aufgeführt.

Höhere Intensität immer lohnend?

Bereits im vierten Jahr wird in den beiden Intensitätsvarianten B1 und B2 der Landessortenversuche die Stickstoffdüngung einheitlich durchgeführt. Dieses ermöglicht die Beantwortung der Frage, ob es Sorten gibt, die auf Grund ihrer besseren Gesundheit sowie Standfestigkeitsmerkmale über die Jahre gesichert generell mit einem verhalteneren fungiziden Pflanzenschutz sowie Wachstumsreglereinsatz auskommen. Da schon in jeweils einem Jahr bei einer Sorte, je nach Standort und Ertragsbedingungen mal in der B1, mal in der B2-Variante, die höchsten bereinigten Marktleistungen erzielt werden und in mehreren Jahren weitere Schwankungen hinzukommen, lassen sich demzufolge nur sortenspezifische Tendenzen bezüglich ihrer erforderlichen Behandlungsbedürftigkeit ableiten. Das dafür herangezogene Beurteilungskriterium, die bereinigte Marktleistung, ist das rechnerische Produkt aus dem Ertrag und dem Erzeugerpreis abzüglich der jeweils in B1 und B2 vorhandenen variablen Kosten für Überfahrten, Wachstumsregler, Fungizide und Stickstoff, siehe Tabelle 3.

Erläuterung der Abbildungen

Von jeder Sorte wird von jedem einzelnen NRW-LSV-Standort aus den letzten verfügbaren Jahren die entweder in der B1- oder in der B2 - Intensitätsstufe vorliegende höchste Bereinigte Marktleistung herangezogen und gemittelt, dargestellt in den Säulen im Diagramm. Die jeweils der höchsten Marktleistung zugeordnete Intensitätsstufe als Ziffer wird ebenfalls gemittelt, siehe den Behandlungsindex als Punktemarkierung im Diagramm. Wenn in einem Versuchsjahr also überwiegend aus der Behandlungsstufe B1 die höchste bereinigte Marktleistung bei einer Sorte erzielt wurde, ergibt sich ein niedriger Behandlungsindex oder ein Behandlungsanspruch von 1,1 bis 1,4. Wenn sich dieses über mehrere Jahre bei der gleichen Sorte so zeigt, lässt sich tendenziell ableiten, dass diese Sorte insgesamt eine niedrigere Behandlungsintensität benötigt, um die höchsten bereinigten Marktleistungen zu erzielen.

Aus der Abbildung 1 lassen sich aus dem aktuellen Anbaujahr folgende Aussagen ableiten: Fallend sortiert, zeigt sich diesjährig die Sortenrangierung nach der bereinigten Marktleistung. Die empfohlenen Sorten zeigen sich auch hier im vorderen Bereich und weisen keine deutlichen Unterschiede auf. In der Regel zeigt sich in der Mehrzahl der Versuchsstandorte und Sorten, dass die höhere Intensität überwiegend die wirtschaftlich lohnende war. Auffällig sind lediglich die Sorten Alinghi und Wendy, die diesjährig auf der überwiegenden Anzahl der Versuchsstandorte schon in der unbehandelten B1-Variante die höchsten bereinigten Marktleistungen aufwiesen. Unter Berücksichtigung eines um 2 € höheren Erzeugerpreises bei der Winterbraugerste zeigt Wintmalt unter den Verhältnissen des abgelaufenen Vegetationsjahres mit einer Leibniz, Zzoom und Alinghi absolute Gleichheit bezüglich der bereinigten Marktleistung. Sind, je nach Marktsituation, die Preisabstände größer, ließen sich mit einer Winterbraugerste höhere Marktleistungen erzielen.

In der Abbildung 2 sind die Sorten einmal drei- und einmal zweijährig miteinander verrechnet, um immer ein orthogonal korrektes Ergebnis zu erhalten. Sowohl drei- als auch zweijährig zeigt sich Alinghi in der Marktleistung als insgesamt beste Sorte. Diese höchsten Marktleistungen werden in den letzten drei Jahren hauptsächlich bereits in der B1-Variante erzielt. Mit großer Sicherheit lässt sich damit zu dieser Sorte sagen, dass ein intensiverer Pflanzenschutz und Wachstumsreglereinsatz, wie in der B2 Variante aufgeführt, nur höchst selten wirtschaftlich ist. Im Unterschied dazu zeigt sich im drei- und auch im zweijährig verrechneten Sortensortiment, dass die hohen bereinigten Marktleistungen bei Lomerit, Highlight und Leibniz, die Zwergrost aufwies, fast ausschließlich erst mit einer höheren Intensität erzielt werden können. Fridericus und Naomie nehmen bezüglich der Behandlungsansprüche eine Mittelstellung ein. Nicht immer lassen sich eindeutige Beziehungen zu den Sorteneinstufungen bezüglich Anfälligkeiten herstellen, siehe Tabelle 6. Da bei der Bewertung der Bereinigten Marktleistung kostenmäßig nicht die Managementzeiten, Logistikaufwand und ähnliches berücksichtigt werden, ergeben sich vor dem Hintergrund knapper und teurer Arbeitsressourcen zusätzliche, durchaus berücksichtigenswerte Sortenwahlkriterien für die Anbauvorzüglichkeit der Wintergerstensorten, wenn Überfahrten, Beobachtungs- und Kontrollaufwand, Pflanzenschutzmittel-Mengenbewegungen reduziert werden können.

Beschreibung der empfohlenen Sorten

Lomerit (Grete-Abstammung): Ertrag: Mehrjährig recht konstante, überdurchschnittliche Ertragsleistungen in allen Anbauregionen. Qualität: Hohe, sichere hl- Gewichtsleistungen. Ertragsbildung über mittlere Bestandesdichte, mittlere Kornzahl je Ähre sowie hohe Tausendkornmasse (TKM). Agronomische Merkmale: Sorte mit erhöhter Lagerneigung. Besondere Beachtung auf Güllestandorten. Die mittlere Anfälligkeit bei Halmknicken kann durch ausreichend hohen Wachstumsreglereinsatz/ späteren Camposaneinsatz gut im Griff behalten werden. Besonderheiten: Hellere Blattfarbe, sollte nicht zu höherer N-Düngung verleiten. Höhere Pflanzenschutzintensität erforderlich, sollte nach der stärken Anfälligkeit gegenüber Zwergrost, Mehltau sowie Netzflecken ausgerichtet werden. Lomerit wies 2008 auf vielen Standorten einen starken Rhynchosporiumbefall auf. Marktleistung: Im dreijährigen Mittel wurde die überdurchschnittliche bereinigte Marktleistung in fast allen Fällen in der höheren Intensitätsstufe erreicht. Eine intensive Führung der Sorte war in den vergangenen Jahren fast immer lohnend. Empfehlung: Für Löss-, Lehm- und Höhenstandorte sehr gut geeignet. Auf Sandstandorten, wenn noch eigene gute Anbauergebnisse vorliegen.

Fridericus (Carola – Abstammung): Ertrag: Dreiährig recht konstante, überdurchschnittlich hohe Ertragsleistungen in allen Anbauregionen. Qualität: Durchschnittliche, in der Regel sichere hl-Gewichte. Ertragsbildung über leicht überdurchschnittliche Bestandesdichte, geringere Kornzahl je Ähre und leicht überdurchschnittliche TKM. Agronomische Merkmale: Relativ lange, jedoch standfeste Sorte, mit geringem Halm- aber leicht erhöhtem Ährenknicken. Besonderheiten: Sorte mit sehr hoher, breiter Blattgesundheit. In der Blattfarbe dunkelgrüner. Steil stehende Ähren bis zur Ernte. Marktleistung: Sehr hohe bereinigte Marktleistungen in den letzten drei Jahren, die häufiger bereits in der niedrigeren Intensitätsstufe erzielt werden. Die höhere Intensität zeigte sich meist nur auf den Lößsstandorten wirtschaftlich. Empfehlung: Für Löss-, Lehm- und Höhenstandorte sehr gut geeignet. Auf Sandstandorten, wenn eigene gute Anbauergebnisse vorliegen.

Alinghi (Carola – Lomerit Abstammung): Ertrag: Weist dreijährig konstante, überdurchschnittlich hohe Ertragsleistungen in allen Anbauregionen außer den Sandstandorten auf. Qualität: Durchschnittliches, in der Regel sicheres hl-Gewicht. Ertragsbildung über eine leicht überdurchschnittliche Bestandesdichte, eine geringe Kornzahl je Ähre sowie eine leicht überdurchschnittliche TKM. Agronomische Merkmale: Spätreifere, relativ lange, jedoch noch gut standfeste Sorte. Besonderheiten: Ausgangs Winter kriechender Wuchshabitus. Sehr hohe, breite Blattgesundheit. Im Gerstensortiment im Mittel die gesündeste Sorte. In der Blattfarbe etwas heller. Wies 2008 auf vielen Standorten einen starken Rhynchosporiumbefall auf, der sich aber ertraglich nicht negativ auswirkte. Waagerecht stehende Ähren zur Ernte. Marktleistung: Sehr hohe bereinigte Marktleistungen in den letzten drei Jahren, die überwiegend bereits in der niedrigeren Intensitätsstufe erzielt werden. Sorte, die am ehesten lediglich mit einer Wachstumsreglermaßnahme und einer kleinen Fungizidmaßnahme wirtschaftlich geführt werden kann. Die höhere Intensität zeigte sich meist nur an den Lößstandorten wirtschaftlich. Empfehlung: für Löß-, Lehm- und Höhenlagenstandorte.

Laverda: (Merlot-Ludmilla-Abstammung): Ertrag: Auf Löß- und Lehmstandorten stärker schwankende, auf Sandstandorten recht konstante Ertragsleistungen. In Höhenlagen deutlicher unterdurchschnittlich. Die größeren Ertragsschwankungen erklären sich durch erhöhtes Halm- und Ährenknicken im Zusammenhang mit ungünstigem Vorernte- oder Ernteverlauf. Qualität: Leicht unterdurchschnittliches hl-Gewicht, in entsprechend schlechten Jahren mit Qualitätsabzügen. Ertragsbildung über mittlere Bestandesdichte und Kornzahl je Ähre sowie leicht überdurchschnittliche TKM. Agronomische Merkmale: Frühreifere, standfeste Sorte mit erhöhter Neigung zum Halm- und Ährenknicken. Besonderheiten: Hellgrünere Blattfarbe, bei N-Düngung beachten. Sorte mit sehr hoher, breiter Blattgesundheit. Feingliedriger Wuchshabitus, schmalere Blätter. Sehr frühes Ährenschieben. Marktleistung im Mittelfeld liegend, mit Ausnahme des aktuellen Jahres wurde die höhere bereinigte Marktleistung in den Jahren davor überwiegend in der B1-Variante erzielt.  Empfehlung: Uneingeschränkt für Sandstandorte, eingeschränkt für Löß-, Lehm- und Höhenlagen.

Naomie (Carola-Julia-Abstammung): Ertrag: Nicht ganz ertragsstabile Sorte, mehrjährig überwiegend nur leicht überdurchschnittliche Ertragsleistungen. Die größeren Ertragsschwankungen erklären sich durch erhöhtes Halm- und Ährenknicken im Zusammenhang mit ungünstigem Vorernte- oder Ernteverlauf. Qualität: Leicht unterdurchschnittliches hl-Gewicht. Ertragsbildung über mittlere Bestandesdichten, eine durchschnittliche Kornzahl je Ähre und etwas überdurchschnittliche TKM. Agronomische Merkmale: Spätreifer, kürzer, sehr standfest, allerdings mit erhöhter Neigung zum Halm- und Ährenknicken. Besonderheiten: Dunkelgrünere Blattfarbe, gute, breite Blattgesundheit, Augenmerk auf Rhynchosporium richten. Wies 2008 auf vielen Standorten einen starken Rhynchosporiumbefall auf. Marktleistung: Sorte mit über die Jahre mittlerer bereinigter Marktleistung, die gleichgewichtig mal mit der höheren und mal mit der niedrigeren Intensität erzielt wird. Empfehlung: Für Lehm-, Sand- sowie Höhenlagenstandorte bei eigenen guten Erfahrungen.

Colibri: Ertrag: Mehrjährig recht konstante, überdurchschnittliche Ertragsleistungen auf Lehmstandorten. Qualität: Gut durchschnittliche hl-Gewichtsleistung. Ertragsbildung über etwas über durchschnittliche Bestandesdichte sowie Kornzahl je Ähre bei unterdurchschnittlicher TKM. Agronomische Merkmale: Frühreifere, etwas kürzere Sorte mit höherer Lagerneigung sowie Halmknicken. Für Güllestandorte besonders zu beachten. Besonderheiten: Sorte mit recht hoher Blattgesundheit. Die Intensität sollte auf gezielten Wachstumsreglereinsatz ausgerichtet werden. Hellere Blattfarbe, bei N-Düngung beachten. Marktleistung: Im Mittel der Standorte und letzten beiden Jahre nur durchschnittliche bereinigte Marktleistungen. Auf Lehmstandorten überdurchschnittliche bereinigte Marktleistungen. Die höhere Intensität ist fast immer wirtschaftlich. Empfehlung: Sondereignung für Lehmstandorte.

Highlight (Cornelia – Carola – Abstammung): Ertrag: Spezifischer auf Standorte reagierende Sorte. Auf Löß- und Lehmstandorten gute, aber keine überragenden, in Höhenlagen deutlich überdurchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Leicht unterdurchschnittliches, in der Regel noch sicheres hl-Gewicht. Ertragsbildung über eine mittlere Bestandesdichte, eine höhere Kornzahl je Ähre und eine sehr hohe TKM. Agronomische Merkmale: Spätreife, sehr langstrohige Sorte mit geringer Lagerneigung, aber stärkerem Halmknicken. Besonderheiten: Dunkelgrünere Blattfarbe, netzfleckenanfällige Sorte mit sonst hoher Blattgesundheit. Kriechender Wuchshabitus ausgangs Winter. Marktleistung: Sorte mit sehr hoher bereinigter Marktleistung in den letzten beiden Jahren, die überwiegend in der behandelten Variante erzielt wird. Empfehlung: Für Löß- und Höhenlagenstandorte voll, auf Lehmstandorten eingeschränkt zum Testen.

Leibniz (Lomerit – Kreuzung): Ertrag: nur auf Lehm- und Höhenlagenstandorten sichere überdurchschnittliche Ertragsleistungen in den letzten beiden Jahren. Qualität: Sorte weist konstant hohes hl- Gewicht auf Lomerit-Niveau in den vergangenen zwei Jahren auf. Ertragsbildung über eine leicht unterdurchschnittliche Bestandesdichte, eine höhere Kornzahl je Ähre sowie leicht überdurchschnittliche TKM. Agronomische Merkmale: Spätreifer, Neigung zum Halmknicken. Besonderheiten: Extrem zwergrostanfällig, Intensität oder Fungizidwahl hat sich daran zu orientieren. Hellere Blattfarbe, bei der N-Düngung zu beachten. Marktleistung: Sorte mit sehr hoher bereinigter Marktleistung zweijährig, welche ausschließlich in der höheren Intensitätsvariante erzielt wurde. Empfehlung: Für Lehmstandorte sowie auf Höhenlagen zum Probieren.

Hinweise zur Aussaat

Pflanzenbaulicher Grundsatz ist: Erst wenn die an einem Standort möglichen acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen optimal gestaltet werden können, kann bei dann noch stimmigen Witterungsbedingungen eine gute Sorte auch ihr genetisch verankertes Ertrags- und Qualitätspotenzial in Form gesunder und vitaler Pflanzenbestände voll ausschöpfen. Extrem frühe Saattermine sind zu vermeiden. Die Einhaltung auf jahrzehntelanger Erfahrung basierender optimaler standortspezifischer Saattermine sollte beachtet werden. Ein Großteil möglicher Herbstprobleme kann damit schon wesentlich gemildert werden. Andererseits sollte auch nicht in das andere Extrem einer deutlich späteren Saat verfallen werden.

In der Tabelle 8 sind für die verschiedenen Ackerbau - Anbauregionen von NRW Empfehlungen zu den Aussaatmengen aufgeführt. Die dort jeweils aufgeführten Angaben zur anzustrebenden Zielbestandesdichte, den Beährungskoeffizienten sowie den Feldaufgangs- und Überwinterungsverlusten, die bei in einer korrekten Ausaatmengenberechnung zu berücksichtigen sind, basieren auf mehrjährig in den Landessortenversuchen ermittelten Werten. Zwischen den Anbauregionen sind deutliche Unterschiede feststellbar. Liegen eigene standörtliche Erfahrungen vor, sollten sie in der Rechnung berücksichtigt werden. Die aufgeführten Werte beziehen sich auf die regional langjährig bewährte normale Saatzeit für die Wintergerste sowie auf gute Saatbettbedingungen. Bei größerer Saatzeitverspätung müssen die ährentragende Halme je überwinterter Keimpflanze reduziert werden, da sich die verfügbare Zeit für eine ausreichende Bestockung unter Kurztagsbedingungen reduziert. Bei sich verschlechternden Saatbedingungen sind die Werte für die Feldaufgangsverluste sowie gegebenenfalls für die Überwinterungsverluste zu erhöhen. Ziel dieser flexiblen Anpassungen ist, über die sich daraus ergebenden Aussaatmengenänderungen ausreichende, aber nicht überhöhte Bestandesdichten als wichtige Basis für einen hohen und sicheren Ertrag zu sichern. Beim Anbau zweizeiliger Wintergerste sollte die Saatstärke generell um rund 30 Körner je m² über der jeweiligen standortspezifischen Saatstärke der mehrzeiligen Wintergerste erhöht werden.

Autor: Dr. Joachim Holz, Heinz Koch