Landessortenversuche Wintergerste 2012

Gerstenernte mit New Holland-DrescherBild vergrößern
Gerstenernte

Wintergerstenerträge überraschend gut

Die Fröste im vergangenen Winter führten zu erheblichen Auswinterungsschäden bei der Wintergerste. Umso überraschender ist das diesjährige Ernteergebnis. Ohne die nicht auswertbaren Höhenstandorte wurden bei den Landessortenversuchen in NRW gegenüber dem vergangenen Jahr im Mittel rund 20 % höhere Erträge erzielt. Auch die hl-Gewichte lagen mit 66 kg/hl auf einem guten Qualitätsniveau. Ähnliche Ergebnisse werden auch aus der Praxis berichtet. Dr. Joachim Holz und Heinz Koch stellen die Ergebnisse vor.

Nach der vergleichsweise milden Herbst- und Winterwitterung bis etwa zum 20. Januar mit entsprechend gut entwickelten Beständen vollzog sich innerhalb von drei Tagen ein Temperatursturz mit bis zu  -22 °C. Meist ohne Schneeauflage stellte sich im weiteren Verlauf eine etwa 14-tägige frostige Hochdruckwetterlage ein. Erhebliche Auswinterungsschäden, vor allem in den Höhenlagen Ostwestfalens, aber auch in den Übergangslagen waren die Folgen. Erhebliche Umbrüche ließen sich nicht vermeiden. Auch auf den übrigen Standorten konnten vereinzelt ausgedünnte Bestände beobachtet werden.

Anbauentwicklung und Ertragssituation

Die Auswirkungen der Auswinterungsschäden zeigt sich nrw-weit in einer deutlich niedrigeren Anbaufläche. Gegenüber rund 144 900 ha im vergangenen Jahr bewegt sie sich in diesem Jahr bei rund 115 100 ha, also knapp 20 % niedriger. Dabei hat diese Flächenreduktion ausschließlich im westfälisch-lippischen Landesteil stattgefunden. Rund 30 000 ha Wintergerstenfläche sind damit umgebrochen worden.

Der Witterungsverlauf zwischen März und Juni lässt sich im Vergleich zu den Vorjahren grob als deutlich sonnenscheinärmer und kühler bei einer wie auch im Vorjahr knappen Niederschlagsversorgung charakterisieren. Mit gut 300 Sonnenscheindauerstunden weniger und im Mittel 4 °C niedrigeren Temperaturen konnten die bescheidenen Wasservorräte bei geringerer Wasserverdunstung in die guten Erträge umgesetzt werden. Die Bestandesdichten sowie die Kornzahl je Ähre waren gegenüber dem Vorjahr deutlich höher.

Die im Unterschied zu den Löß- und Lehmstandorten auf dem Sandstandort in Merfeld zusätzlich auch noch deutlich höheren TKM zeigen das Ertragspotenzial, wenn die Witterungsbedingungen fast ideal sind. Die Krankheiten bewegten sich auf normalem Niveau und konnte gut und sicher beherrscht werden.

Die Landessortenversuche

Aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen standen im 2011/12 insgesamt zehn Landessortenversuche mit Wintergerste zur Verfügung. Sechs auf den Höhenlagen-Standorten angelegte Versuche sind ausgewintert oder konnten nicht ausgewertet werden. Unter Berücksichtigung der Vorjahresergebnisse ergibt sich für die Löß-, Lehm- und Sandstandorte insgesamt eine zuverlässige Sortenempfehlung. Bei den Höhenlagen ist sie in diesem Jahr schwieriger. Hier müssen die Vorjahresergebnisse stärker berücksichtigt werden.

Die Prüfung der Wintergerstensorten erfolgte wie immer in zwei Intensitätsstufen, siehe Tabelle 2. Die Stickstoffdüngung wurde in zwei Überfahrten durchgeführt. Neben dem arbeitswirtschaftlichen Vorteil ist diese Vorgehensweise generell auch als eine Reaktionsstrategie gegenüber möglicher Trockenheit, wie in diesem Frühjahr, zu sehen. Ziel ist, etwa zwei Drittel der N-Düngung schon früh im Boden wurzelverfügbar zu platzieren und damit die risikoreichere und bodenfeuchtigkeitsabhängige zweite Schosser-N-Gabe zu vermeiden. Die zweite und letzte N-Düngung kann flexibel witterungsangepasst zwischen EC 33 und Fahnenblattstadium erfolgen. Um eine zu schnelle N-Mineralisierung zu verhindern, wurden der ersten N-Düngungsgabe Nitrifikationshemmer zugesetzt. Der Pflanzenschutz- und Wachstumsreglereinsatz in der B2-Variante entspricht der praxisüblichen Vorgehensweise.

Die gegenüber der B1-Variante höheren Produktionskosten in der B2-Variante entsprechen in diesem Jahr bei einem veranschlagten Erzeugerpreis von 22 € je dt einem notwendigen Mehrertrag von 5,3 dt je ha in der höheren Intensitätsvariante. Wie aus den unteren Zeilen in Tabelle 3 zu ersehen ist, war in diesem Anbaujahr die höhere Intensitätsstufe B2 im Mittel über alle Sorten und Standorte wirtschaftlich.

Die Erträge und Qualitäten

Als praxisnahe Grundlage für gesicherte Sortenempfehlungen dienen die mehrjährig erzielten Leistungen der Sorten aus der höheren Intensitätsvariante.

Die zwischen einigen Sorten vorhandenen Ertragsdifferenzen von 1 bis 2 % lassen sich in der Praxis nicht wiederfinden. Deshalb sollten solche geringen Differenzen keinen übermäßigen Einfluss auf die Bewertung einer Sorte und die Sortenwahl haben. Auch ein im aktuellen Jahr mal unterdurchschnittliches Ertragsergebnis von sonst sich mehrjährig bewährten Sorten sollte nicht überbewertet werden, vor allem, wenn die eigenen Anbauerfahrungen mit solchen Sorten bislang gut waren. Entsprechend sollte umgekehrt ein gutes Ergebnis in diesem Jahr nicht das alleinige Maß für die Sortenwahl darstellen. Dieses gilt vor allem für die neuen, erstjährig geprüften Sorten.

Bei der Bewertung der eigenen Ergebnisse von zwei bis drei Sorten im Vergleich zu den Ergebnissen aus den Landessortenversuchen ist zu bedenken, dass diese im Betrieb teilweise unter unterschiedlichen Bedingungen angebaut werden. Die exakte Beurteilung der Leistungsfähigkeit dieser Sorten ist damit eingeschränkt. In den Landessortenversuchen dagegen müssen sich diese Sorten gegenüber 20 bis 25 anderen Sorten messen lassen, sodass hier der Vergleich um ein vielfaches genauer ist. Vor diesem Hintergrund ist erklärbar, dass die eigenen, möglicherweise noch guten Anbauerfahrungen mit einer Sorte sich nicht unbedingt mit einem korrespondierenden Sortenergebnis aus den Landessortenversuchen decken.

Mit jährlich anderen Witterungsbedingungen ist zu rechnen. Für die Sortenwahl bedeutet dieses im Sinne einer Risikostreuung, dass je nach einzelbetrieblichem Umfang der Wintergerstenfläche mindestens zwei Sorten angebaut werden sollten. Deutlich unterschiedliche Entwicklungs- und Reifezeitpunkte bei den Sorten ermöglichen darüber hinaus auch, Arbeitsspitzen zu entzerren.

Ein besonderer Aspekt in diesem Jahr ist die Auswinterung und die Winterhärte der Sorten. Differenzierungen zwischen den Sorten sind vorhanden. Diese zeigen sich besonders deutlich auf den per se auswinterungsgefährdeteren höheren Ackerbaustandorten. Entsprechend differenziert sollten auch die diesjährigen Ergebnisse gewertet werden. Bislang gute, aber weniger winterharte Sorten, zeigen diesjährig häufiger unterdurchschnittliche Ergebnisse, ebenso wie auch einige ganz neue Sorten, die in den Wertprüfungen hervorragend abgeschnitten haben. Vor dem Hintergrund, dass ein so massives Auswinterungsjahr selten ist, sollte die Sortenwahl nicht einseitig nur noch auf diesen Aspekt fokussiert werden. Allenfalls auf Höhenlagen zwischen 300 und 400 m sollte er stärker beachtet werden.

Der Tabelle 3 sind die Erträge über die Standorte zu entnehmen. Insgesamt sind die Schwankungen der sortenspezifischen Erträge zwischen den Versuchsstandorten höher als in den anderen Jahren, was auf die Auswinterung zurückzuführen ist. Entsprechend stärker schwanken die Sortenleistungen auch der mehrjährig geprüften Sorten (Tabelle 4).

Lediglich die Sorte Hobbit (Hybride) zeigte über alle Standorte und Anbauregionen hinweg die beständigsten überdurchschnittlichen Erträge. Alle anderen Sorten differenzieren sich deutlicher in Abhängigkeit der jeweiligen Anbauregion. Dieses gilt für die Sorte Nerz mit guten Ertragsleistungen auf den Lehmstandorten. Die beiden neueren Sorten Matros (2) und KWS Tenor zeigten zweijährig auf den Lehm- und Sandstandorten stabile überdurchschnittliche Leistungen, KWS Meridian auf den Lößstandorten. Ebenfalls überzeugte auf Sand auch die etwas frühere Sorte Roseval. Bei den erstjährigen Ergebnissen der neuen Sorten zeigte die Hybridsorte SY Leoo konstant vielversprechende Erträge. Bei den übrigen ganz neuen Sorten spiegelten sich die überzeugenden Ergebnisse aus den mehrjährigen Wertprüfungsergebnissen unter den diesjährigen Anbaubedingungen nicht wider.

Basis für die Sortenempfehlungen sind die in der Tabelle 4 aufgeführten mehrjährigen Ergebnisse. Die daraus resultierenden Sortenempfehlungen sind der Tabelle 7 zu entnehmen. Generell liegt das Leistungsspektrum der überdurchschnittlichen Sorten sehr eng beieinander. Der Tabelle 5 sind die Ergebnisse der hl-Gewichtsleistungen der Sorten zu entnehmen. Es zeigen sich mehrjährige Sortenleistungsunterschiede, die aber beim Sortenempfehlungssortiment im oberen Bereich recht eng zusammen liegen.

In der Tabelle 8 sind zusammengefasst die besonderen Ertragsbildungsmerkmale sowie weitere besondere Eigenschaften aufgeführt. Die Angaben zu Bestandesdichte und Kornzahl je Ähre sowie TKM beruhen auf langjährigen Ergebnissen. Je mehr Einzelergebnisse vorliegen, desto genauer ist die Aussage. Diese Hinweise, insbesondere zu den Bestandesdichten der einzelnen Sorten, sind so zu verstehen, dass dünner stehende Sorten nicht aufgrund einer mangelnden N-Düngung oder sonstiger unvollkommener pflanzenbaulicher Maßnahmen entstanden sind, sondern dass es ein sortentypisches Bild ist.

Wirtschaftlichkeit der Intensitäten

Neben der Bewertung der Ertrags- und Qualitätsleistungen ist auch die Beurteilung eines eventuell vorhandenen sortenspezifischen Intensitätsanspruchs von Bedeutung. Hier spielen die verschiedenen Eigenschaften der Sorten (Tabelle 6) eine Rolle. Gibt es Sorten, die aufgrund ihrer besseren Gesundheit sowie Standfestigkeitsmerkmale tendenziell mit einem reduzierten Pflanzenschutzwirtschaftlicher produziert werden können? Die mehrjährigen Ergebnisse zeigen bei den Sorten große Unterschiede. Mal wird in der B1-, mal in der B2-Variante, die höchste bereinigte Marktleistung erzielt. Demzufolge lassen sich nur Tendenzen bezüglich des erforderlichen Intensitätsanspruchs ableiten, ermöglichen aber damit praxisrelevante Hinweise, siehe Tabelle 8.

Hinweise zur Aussaat

Die ersten ertragsentscheidenden Maßnahmen beginnen mit der Saatbettbereitung sowie der Wahl der Saatzeit und einer darauf abgestimmten Saatmenge. Extrem frühe Saattermine sind zu vermeiden. Ein Großteil möglicher Bestandesentwicklungsprobleme kann damit schon wesentlich gemildert werden.

In der Tabelle 9 sind für die verschiedenen Anbauregionen Empfehlungen zu den Aussaatmengen aufgeführt. Die Angaben zur Zielbestandesdichte, den Beährungskoeffizienten sowie den Feldaufgangs- und Überwinterungsverlusten, die bei einer korrekten Ausaatmengenberechnung zu berücksichtigen sind, basieren auf mehrjährig in den Landessortenversuchen ermittelten Werten. Zwischen den Anbauregionen sind Unterschiede vorhanden. Liegen eigene Erfahrungen vor, sollten sie in der Rechnung berücksichtigt werden. Die aufgeführten Werte beziehen sich auf die regional langjährig bewährte Saatzeit für Wintergerste sowie auf gute Saatbettbedingungen. Bei größerer Saatzeitverspätung müssen die Beährungskoeffizenten, also die ährentragenden Halme je überwinterter Keimpflanze, reduziert werden, da sich die verfügbare Zeit für eine ausreichende Bestockung unter Kurztagsbedingungen reduziert.

Bei sich verschlechternden Saatbedingungen sind die Werte für die Feldaufgangsverluste sowie vor allem auch für die Überwinterungsverluste zu erhöhen. Gerade dieser Aspekt ist elementar auf auswinterungsgefährdeteren Standorten und sollte als Sicherheitszuschlag berücksichtigt werden.

Ziel dieser flexiblen Anpassungen ist, über die sich daraus ergebenden Aussaatmengenänderungen ausreichende, aber nicht überhöhte Bestandesdichten als Basis für einen hohen Ertrag zu sichern. Zu beachten ist, dass die Keimfähigkeit des Saatgutes sowie die TKM als Korrekturfaktoren bei der Saatmengenberechnung noch zu berücksichtigen sind.

Vor dem Hintergrund des letzten Vegetationsjahres hat sich wieder deutlich gezeigt, dass das Erreichen einer bestimmten Zielbestandesdichte bei der Wintergerste für einen hohen Ertrag um ein Vielfaches wichtiger ist als beim Winterweizen. Kornzahl je Ähre sowie TKM als Ertragsfaktoren wirken bei der Wintergerste weniger ertragskompensierend als beim Weizen. Daher sollten bei der Bemessung der Saatstärke keine allzu großen Einsparungen vorgenommen werden. Die unkalkulierbaren Herbst-, Überwinterungs- und Frühjahrsbedingungen sind zu berücksichtigen.

Ein weiterer Faktor ist die Einhaltung der optimalen Saattiefe von 2 bis 3 cm. Insbesondere unter ungünstigen Verhältnissen können zu tief abgelegte Körner zu geschwächten Pflanzen mit ungenügender Bewurzelung und Bestockung führen. Andererseits erhöht sich bei zu flach abgelegtem Saatgut das Risiko für Pflanzenverluste durch das Auffrieren, wie in diesem Jahr wieder deutlich zu sehen war. Bei solchen Ereignissen empfiehlt sich die Herstellung des Bodenschlusses durch den Einsatz einer Ringelwalze.

Autor: Dr. Joachim Holz, Heinz Koch