Landessortenversuche Wintergerste 2013

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Erträge zufriedenstellend

Die Erträge in den Landessortenversuchen mit Wintergerste sind nach dem späten Vegetationsstart überwiegend zufriedenstellend. Dr. Kathrin Bürling, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, stellt die Ergebnisse im Einzelnen vor.

Nach dem Auswinterungsjahr 2011/12 haben sich die Anbauflächen auch für Wintergerste wieder erholt. Nach vorläufigen Angaben des statistischen Landesamtes ist mit 29 538 ha im Rheinland und 109 948 ha in Westfalen-Lippe die Anbaufläche in NRW insgesamt um 22 % gestiegen, aber immer noch rund 17 % niedriger im Vergleich zum langjährigen Mittel.

Wie jedes Jahr, hatte auch das Vegetationsjahr 2012/13 seine Besonderheiten. In NRW konnte ein durchweg niedrigeres Temperaturniveau bei weniger Sonnenscheinstunden über die gesamte Vegetationszeit beobachtet werden. Durch eine kontinuierliche Abhärtung der Pflanzenbestände, eine überwiegend schützende Schneedecke und die fehlenden drastischen Temperaturstürze des vergangenen Jahres konnten die kalten Phasen weitestgehend gut überstanden werden. Mit einer Vegetationsruhe von vier Monaten startete das Frühjahr dann aber rund drei bis vier Wochen später als in den letzten Jahren.

Die Bestockungsphase im Frühjahr, durch die ein gewisser Ausgleich stattfinden kann, fiel daher extrem knapp aus. Dies spiegelt die, besonders auf den Lehmstandorten, geringeren Bestandesdichten wieder. Erst im April stiegen die Temperaturen dauerhaft über 5 °C. Jedoch fehlten dann die Niederschläge, die in Kombination mit den lang anhaltenden Ostwinden den Oberboden stark austrockneten. Der Mai zeichnete sich durch eine äußerst kühl-feuchte Witterung bei wenig Sonneneinstrahlung - und somit geringer unproduktiver Evaporation - ab. So mag es das Getreide. Auch im weiteren Verlauf waren die Niederschläge meist ausreichend, die Temperaturen moderat und die Sonneneinstrahlung durchschnittlich, sodass für die Gerste gute Einlagerungsbedingungen mit geringen Reduktionsprozessen vorherrschten. Mit Ausnahme der Sandstandorte resultierte dies in durchschnittlichen bis höheren Kornzahlen/Ähre und TKM.

Mit genauerem Blick auf die Ertragsstruktur in NRW (Tabelle 1, siehe PDF-Datei), waren auf den Löß- und Lehmstandorten die Bestandesdichten im Vergleich zum Vorjahr niedriger, auf den Sandstandorten deutlich höher. Im 15-jährigen Vergleich wurde auf den Lößstandorten das drittbeste Ertragsjahr über eine hohe Kornzahl/Ähre und hohe TKM erzielt. Die Erträge auf Sand liegen im mittleren Bereich. Hier waren extrem hohe Bestandesdichten - im Wesentlichen durch die zweizeiligen Sorten verursacht -, demzufolge niedrige Kornzahlen/Ähre bei leicht überdurchschnittlichen TKM zu verzeichnen. Auf den Lehmstandorten lagen die Erträge, Bestandesdichten und Kornzahlen/Ähre im durchschnittlichen Bereich mit hohen TKM. Die hohen Erträge auf den Höhenstandorten sind überwiegend durch die hohen Bestandesdichten zu erklären.

Während der Hauptwachstumsphase war kaum wachstumsbeeinträchtigendes Krankheitsaufkommen zu verzeichnen und auch der geringe Befall mit Rost, Mehltau und vereinzelt Netzflecken konnte problemlos und einfach bekämpft werden.

Die Landessortenversuche

Aus NRW und dem benachbarten Niedersachsen standen insgesamt 15 Landessortenversuche für eine exakte Bewertung der Sortenleistungen der Wintergerste zur Verfügung.

Die Prüfung der Wintergerstensorten erfolgte wie immer in zwei Intensitätsstufen, siehe Tabelle 2. Die Stickstoffdüngung wurde in zwei Überfahrten durchgeführt. Neben dem arbeitswirtschaftlichen Vorteil ist diese Vorgehensweise generell auch als eine Reaktionsmöglichkeit bei möglicher Trockenheit zu sehen. Ziel ist, etwa zwei Drittel der notwendigen N-Düngermenge schon früh im Boden wurzelverfügbar zu platzieren und damit die risikobehaftete und feuchtigkeitsabhängige zweiten Schosser-N-Gabe zu vermeiden. Um dabei eine zu schnelle N-Mineralisierung zu verhindern, wurden der ersten N-Düngungsgabe Nitrifikationshemmer zugesetzt ( Piadin) oder bei fester Düngung Alzon als fertiges Produkt verwendet. Auch der Grundwasserschutz spielt hier eine Rolle. Die zweite und letzte N-Düngung kann flexibel witterungsangepasst zwischen EC 33 und Fahnenblattstadium (EC 37) erfolgen. Der Pflanzenschutz- und Wachstumsreglereinsatz in der B2-Variante entspricht der praxisüblichen Gepflogenheit.

Die gegenüber B1 höheren Produktionskosten in der B2-Variante entsprechen in diesem Jahr bei einem veranschlagten Erzeugerpreis von 16,00 € je dt einem notwendigen Mindestmehrertrag von 7,4 dt je ha in der höheren Intensitätsvariante. Dieser wurde lediglich auf einem Sandstandort in Niedersachsen nicht erreicht und zeigt bei Mehrerträgen von bis zu 20 dt/ha in NRW, dass auch in diesem Anbaujahr die höhere Intensitätsstufe B2 im Mittel auf allen Landessortenversuchsstandorten wirtschaftlich gewesen ist, siehe Tabelle 3, unterste Zeile.

Ertrags- und Qualitätsleistungen

Da in diesem Jahr die Wachstumsbedingungen überwiegend gut waren, hatten alle geprüften Kandidaten gute Chancen, ihre Ertragspotenz zu zeigen. Denn auch Lager, Halm- und Ährenknicken waren in diesem Jahr in der B2-Variante kein Thema. Dass für die Gerste die Bedingungen in der Tat gut waren, zeigt das Ertragsniveau des Versuchsmittels über alle 15 Standorte. Mit rund 3 % höheren Erträgen als im Vorjahr konnte das höchste Ergebnis der letzten fünf Jahre erzielt werden.

Als praxisnahe Grundlage für die Sortenempfehlungen dienen die mehrjährig erzielten Leistungen der Sorten aus der höheren Intensitätsvariante. Bei der Sortenbewertung sollten generell einige Punkte berücksichtigt werden.

Die in den Exaktversuchen zwischen einigen Sorten vorhandenen Ertragsdifferenzen von 1 bis 2 % lassen sich in der Praxis nicht wiederfinden. Deshalb sollten solche geringen Differenzen keinen übermäßigen Einfluss auf die Bewertung einer Sorte und die Sortenwahl haben. Ein im aktuellen Jahr mal unterdurchschnittliches Ertragsergebnis von sonst sich mehrjährig bewährten Sorten sollte nicht überbewertet werden, vor allem, wenn die eigenen Anbauerfahrungen mit solchen Sorten bislang gut waren. Entsprechend umgekehrt sollte ein aktuell überproportional gutes Ergebnis nicht das alleinige Maß für die Sortenwahl darstellen. Dieses gilt vor allem für die neuen, einjährig geprüften Sorten. Ein Vergleich von Ergebnissen der im eigenen Betrieb angebauten Sorten mit den Ergebnissen dieser aus den LSV berücksichtigt nicht die im Betrieb vorhandenen Anbaubedingungen und schränkt damit eine exakte Beurteilung ein. In den Landessortenversuchen müssen sich nämlich diese Sorten gegenüber 20 bis 25 anderen Sorten unter verschiedenen Bedingungen in mehreren Regionen messen lassen, sodass hier der Vergleich um ein vielfaches schärfer und genauer ist. Vor diesem Hintergrund ist erklärbar, dass die eigenen, möglicherweise noch guten Anbauerfahrungen mit einer Sorte sich nicht unbedingt mit einem korrespondierenden Sortenergebnis aus den Landessortenversuchen decken.

Wie die letzten Jahre bereits gezeigt haben, ist auch zukünftig mit jährlich anderen Witterungsbedingungen zu rechnen. Es ist daher empfehlenswert mindestens zwei Sorten mit deutlich unterschiedlichen Entwicklungs- und Reifezeitpunkten anzubauen. Dies ermöglicht darüber hinaus auch, Arbeitsspitzen bei Düngung, Pflanzenschutz und der Ernte zu entzerren.

Der Tabelle 3 sind die in den jeweiligen Ackerbauregionen erzielten Sortenertragsleistungen zu entnehmen. Hier wird schnell deutlich, dass sich die Sorten in Abhängigkeit der jeweiligen Anbauregion differenzieren, wobei die Sorte Hobbit (H) unter den mehrjährig geprüften Sorten, wie schon im vergangenen Jahr, über alle Anbauregionen beständig gute Erträge erzielte. Die Sorte Zzoom (H) zeigte sich auf Löß, Lehm und Höhe überdurchschnittlich, die Sorte Matros (2) auf Lehm, Sand und Höhe. Die Sorten Pelican erzielte immer noch auf Löß und Höhe gute Leistungen, die Sorte Nerz auf Lehm und Höhe. Auf den Sandstandorten dominierten diesjährig die Zweizeiler KWS Cassia und Metaxa, gefolgt von der mehrzeiligen Sorte Roseval. Die neuere Sorte SY Leoo (H), die bereits erstjährig geprüft positiv auffiel, aber auch Antonella, zeigten diesjährig auf allen Standorten stabile, durchschnittliche Ertragsleistungen. California (2) präsentierte sich auf den Sandstandorten überdurchschnittlich. Bei den erstjährigen Ergebnissen der neuen Sorten zeigte die Hybridsorte Galation konstant vielversprechende Erträge.

Basis für die regionsspezifischen Sortenempfehlungen sind die in Tabelle 4 aufgeführten Ertragsergebnisse. Die daraus resultierenden Sortenempfehlungen sind der Tabelle 7 zu entnehmen. Generell liegt das Leistungsspektrum der im Mittel überdurchschnittlichen Sorten verhältnismäßig eng beieinander.

Der Tabelle 5 sind die Ergebnisse der hl-Gewichtsleistungen der Sorten zu entnehmen. Es zeigen sich mehrjährig Sortenleistungsunterschiede hinsichtlich dieses Qualitätsmerkmals, die aber beim überwiegenden Teil des Sortenempfehlungssortimentes im oberen Bereich recht eng zusammenliegen.

In Tabelle 8 sind zusammengefasst die sortenspezifischen Ertragsbildungsmerkmale sowie weitere besondere Eigenschaften der Empfehlungssorten aufgeführt. Die Angaben zu den sortenspezifischen Voraussetzungen, wie Bestandesdichte, Kornzahl je Ähre sowie TKM, für hohe Erträge beruhen auf langjährigen Ergebnissen zu diesen Merkmalen. Hinweise, insbesondere zu den Bestandesdichten der einzelnen Sorten, sind derart zu verstehen, das "dünner" stehende Sorten nicht aufgrund einer mangelnden N-Düngung oder sonstiger "unvollkommener" pflanzenbaulicher Maßnahmen entstanden sind, sondern dass es ein sortentypisches Bestandesdichtebild ist.

Auf einige Besonderheiten bei der Sortenbewertung soll im Folgenden hingewiesen werden. Die bislang ertragstreue Sorte Lomerit ist, wie sich in den vergangenen beiden Jahren schon abzeichnete, von den neueren Sorten überrundet worden und kommt nicht mehr an deren Ertragsniveau heran. Mit Blick auf die Leistung der Hybriden zeigen die neueren Sorten im Vergleich zu der seit 2008 zugelassenen Sorte Zzoom weder auf den Lößböden noch auf den Lehm- und Höhenstandorten höhere Erträge. Auch hinsichtlich der Gesundheit sowie den agronomischen Merkmalen zeigt lediglich die EU-Sorte Galation und eingeschränkt die Sorte Hobbit bei den Merkmalen Halm- und Ährenknicken eine wesentliche Verbesserung. Allerdings haben die neueren Sorten eine deutliche Verbesserung im hl-Gewicht erfahren. Bei den Empfehlungssorten ist ferner zu beachten, dass die Schwäche im Ährenknicken besonders bei der Sorte Zzoom den Ertrag zum Teil erheblich schmälern kann. Auch bei den hl-Gewichten weist diese Sorte größere Unsicherheiten auf. Bei der Sorte Roseval ist ebenfalls die Schwäche im hl-Gewicht zu beachten, auf der anderen Seite ihre Stärke in den Ertragsrisikomerkmalen Halm- und Ährenknicken. KWS Tenor, etwas schwächer im Ährenknicken eingestuft, und KWS Meridian zeigen auf den Lehmstandorten nur leicht überdurchschnittliche Ertragsleistungen, werden jedoch aufgrund ihrer besonders im vergangenen Jahr bewiesenen Winterhärte eingeschränkt empfohlen. Ähnlich sieht es bei den Sorten Leibniz und Nerz auf den Höhenstandorten aus, wobei sich hier die Sorte Nerz durch ihre zusätzliche Resistenz gegenüber Gelbmosaikvirus Typ 2 auszeichnet, was nach Mitteilungen aus der Praxis besonders in diesen Anbaugebieten eine Rolle spielen kann. Bei der zweijährig geprüften Sorte Antonella fällt die ausgeprägte Blattgesundheit auf.

Die beiden zweizeiligen Sorten KWS Cassia und Metaxa zeigen sich zwar in diesem Jahr auf Sandstandorten sehr gut, sind jedoch mehrjährig betrachtet nicht sehr ertragsstabil, sodass hier bei der eingeschränkten Empfehlung die gute Strohstabilität mit Hinblick auf Güllestandorte überwiegt. Ähnliches gilt für die Sorte Matros (2), die auf den Lehmstandorten wegen ihrer Winterhärte und den guten hl-Gewichten noch eingeschränkt empfohlen wird. Matros besitzt keine Resistenz gegenüber Gelbmosaikvirus und sollte auf stark gefährdeten Standorten nicht angebaut werden. Die neuere, zweizeilige Sorte California ist sehr gut im Halm- und Ährenknicken eingestuft.

Die im LSV einjährig geprüften Sorten zeichnen sich prinzipiell alle durch eine Verbesserung in den Merkmalen Lager, Halm- und Ährenknicken aus. Bei den für die Vermehrung interessanten Sorten könnte, dort wo empfohlen, Loreley eine Option für Güllestandorte darstellen oder die Sorte KWS Keeper für Standorte, auf denen Gelbmosaikvirus Typ 2 noch zusätzlich eine Rolle spielt. Abschließend ist bei der Sortenempfehlung einschränkend darauf hinzuweisen, dass nach Verlautbarung von Syngenta Seeds zur Aussaat 2013 die Hybridsorten Hobbit und SY Leoo aufgrund von falschen, fertilen Typen in der sterilen Mutterlinie, die zu Verunreinigungen in den Vermehrungsflächen geführt haben, nicht zur Verfügung stehen.

Wirtschaftlichkeit der Intensitäten

Neben der Bewertung der Ertrags- und Qualitätsleistungen der Sorten im Landessortenversuch ist auch die Beurteilung eines sortenspezifischen Intensitätsanspruchs von Bedeutung. Hier spielen die verschiedenen Eigenschaften der Sorten (Tabelle 6) eine Rolle. Die Frage lautet, ob es Sorten gibt, die aufgrund ihrer besseren Gesundheit sowie Standfestigkeitsmerkmale tendenziell mit einem reduzierten Pflanzenschutz wirtschaftlicher produziert werden können.

Die mehrjährigen Ergebnisse zeigen bei den Sorten auf den verschiedenen LSV-Standorten große Unterschiede. Mal werden in der B1-, mal in der B2-Variante die jeweils höchsten bereinigten Marktleistungen erzielt. Demzufolge lassen sich nur sortenspezifische Tendenzen bezüglich des erforderlichen Intensitätsanspruchs ableiten, ermöglichen aber praxisrelevante Hinweise, siehe Tabelle 8.

Darüber hinaus wurde in diesem Jahr die Leistung der empfohlenen Hybrid- und

Liniensorten gegenübergestellt. Hintergrund dieser Evaluierung war die Frage, in wie weit sich seit der ersten Hybrid-Sortenzulassung in Deutschland 2008 die Leistungsfähigkeit der Hybriden bei einer wirtschaftlichen Betrachtung entwickelt haben. Dazu wurden bei den drei- und mehrjährig geprüften Sorten die Relativerträge der Versuche über die letzten drei Jahre gemittelt und die Ertragsdifferenz der Hybriden zum Mittel der drei besten, empfohlenen Liniensorten ermittelt. Bei den zweijährig geprüften Sorten wurden die Hybriden ebenfalls dem Mittel der besten, empfohlenen drei- und mehrjährig geprüften Liniensorten gegenüber gestellt, wobei hier für alle Sorten Mittelwerte der letzten beiden Jahre herangezogen wurden. Damit wurden in alle Berechnungen ausschließlich Daten aus den LSV zu Grunde gelegt und bewertet. Bei einem angenommenen Gerstenpreis von 16 €/dt belaufen sich die Mehrkosten für Hybridsaatgut bei zwei Dritteln Aussaatstärke auf 45 €/ha. Damit müssen die Hybriden mindestens 2,8 dt/ha mehr Ertrag bringen, um diese höheren Kosten zu decken.

Anhand der Ergebnisse in Tabelle 9 wird deutlich, dass über den betrachteten Zeitraum die Hybriden auf den ertragsreicheren Lößstandorten einen relativ höheren Ertrag erzielen konnten, der jedoch nicht den zur Deckung der höheren Saatgutkosten erforderlichen Wert erreicht. Auf den Lehmstandorten erzielten die Hybriden sogar etwas geringere Erträge als die besten Liniensorten, auf Sand- und Höhenstandorten lagen beide gleich auf. Nach derzeitigem Stand ist somit die Leistung der Hybriden aus wirtschaftlichem Blickwinkel betrachtet noch nicht überzeugend. Mit den derzeit besten Liniensorten liegt man ertraglich auf einem Niveau bei geringeren Saatgutkosten. Hier gilt es abzuwägen.

Autor: Dr. Kathrin Bürling