Landessortenversuche Wintergerste 2015

Vergleich von WintergerstensortenBild vergrößern
Die zweizeilige Sorte Matros, für die die Anthocyan-verfärbten Spelzen typisch sind, konnte ertraglich problemlos mit den Mehrzeilern mithalten.


Erntereife WintergersteBild vergrößern
Erntereife Wintergerste. Fotos: Dr. Kathrin Bürling


Spitzenerträge mit hohen Qualitäten

Nach vorläufigen Angaben des statistischen Landesamtes ist mit 31 571 ha Wintergerste im Rheinland und 105 137 ha in Westfalen-Lippe die Anbaufläche in NRW insgesamt um rund 1,1% gegenüber dem Vorjahr leicht gestiegen; sie liegt damit aber immer noch etwa 14% niedriger im Vergleich zum langjährigen Mittel von 2005 bis 2014. Wie sich die Erträge in diesem Jahr zusammensetzen, erläutert Dr. Kathrin Bürling.

Obwohl es im Vegetationsjahr 2014/2015 erneut keinen richtigen Winter gab, setzte doch, zumindest partiell, eine Vegetationsruhe ein. Bis Mitte April traten sogar noch Nachtfröste auf. Im Vergleich zum Vorjahr waren die Winter- und Frühjahrsmonate von Dezember bis April im Mittel um 2°C kühler; die Sonneneinstrahlung von Dezember bis März lag um insgesamt rund 130 Stunden niedriger. Das Niederschlagsniveau im Zeitraum Dezember bis April fiel mit 100 bis 140 mm gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum höher aus. Im Mai dagegen herrschte durch Niederschlagsmengen von lediglich 50% des langjährigen Mittels eine extreme Trockenheit. Nach einer ersten kurzen Hitze Anfang Juni setzte am Monatsende eine Hitzewelle mit Temperaturen über 30°C und anschließenden Unwetterereignissen ein. Die überwiegend guten bis sogar sehr guten Erträge zeigen, dass diese Witterungsextreme im Mai und Juni keine negativen Auswirkungen mehr auf die frühdreschende Gerste hatten. Die Ernte verlief bis auf kurze Unterbrechungen durch Niederschlagsereignisse unproblematisch.

Anbauentwicklung und Ertragssituation

Mit genauerem Blick auf die Ertragsstruktur in NRW in Tabelle 1 lagen in allen Anbauregionen die Bestandesdichten in einem hohen Bereich. Im langjährigen Vergleich über 17 Jahre wurde im Erntejahr 2015 sowohl auf den Löß- als auch den Lehmstandorten nach dem Hochertragsjahr 2001 das bislang zweitbeste Ertragsergebnis erzielt. Während auf den Lößstandorten alle Ertragsstrukturmerkmale im überdurchschnittlichen Bereich lagen, wurden die Spitzenerträge auf Lehm über extrem hohe Bestandesdichten, entsprechend leicht unterdurchschnittliche Kornzahl/Ähre und durchschnittliche TKM erzielt. Die Erträge auf Sand liegen nur im mittleren Bereich. Trotz höherer Bestandsdichten sowie mittlerer Kornzahl/Ähre ermöglichten die hier nur sehr niedrigen TKM kein besseres Ertragsniveau. Nachdem sich bereits im April die Bestände aufgrund der Kombination aus mangelnder Feuchtigkeit und mangelnder N-Verfügbarkeit schlecht entwickelt hatten, kam darüber hinaus im weiteren Verlauf infolge der Wasserknappheit auch die entsprechend stärkere Hemmung der Kornfüllungsphase zum Tragen. Auf den Höhenstandorten konnte bei zwölfjähriger Betrachtung das beste Ertragsjahr verzeichnet werden. Sehr hohe Bestandesdichten mit dennoch leicht überdurchschnittlicher Kornzahl/Ähre sowie sehr hohe TKM erklären das hohe Niveau.

Das Krankheitsaufkommen während der Hauptwachstumsphase war sicher zu kontrollieren. Bis auf vereinzelte, leicht erhöhte Zwergrostbonituren in den Varianten ohne fungizide Maßnahmen (B1), konnten die Bestände der Sortenversuche als äußerst gesund bezeichnet werden. Im Zuge dieses erneut milden Winters war ein höherer Druck durch Blattläuse und damit auch ein erhöhtes Risiko von Infektionen mit Gerstengelbmosaikvirus oder -verzwergungsvirus vorhanden. In der Praxis kam es vereinzelt sogar zu Flächenumbrüchen.

Die Landessortenversuche

Aus Nordrhein-Westfalen und dem benachbarten Kammergebiet Niedersachsen standen im Vegetationsjahr 2014/15 insgesamt zehn Landessortenversuche und damit eine vergleichsweise dünnere Datenbasis für eine exakte Bewertung der spezifischen Sortenleistungen der Wintergerste zur Verfügung. Ausfälle durch Mäuse- oder Trockenschäden sind hier unter anderem ursächlich. Die Prüfung der Wintergerstensorten erfolgte wie immer in zwei Intensitätsstufen, siehe Tabelle 2. Die gegenüber B1 höheren Produktionskosten in der B2-Variante entsprechen in diesem Jahr bei einem veranschlagten Erzeugerpreis von 15,50 € je dt einem wirtschaftlich notwendigen Mindestmehrertrag von 11,9 dt je ha in der höheren Intensitätsvariante. In NRW wurde dieser nur auf zwei von sechs Standorten sicher erreicht. Trotz des allgemein hohen Ertragsniveaus muss die diesjährige Produktionstechnik der höheren Intensitätsstufe B2, im Mittel über alle Sorten, in dem vergleichsweise gesunden Jahr als überwiegend nicht wirtschaftlich bewertet werden, siehe in Tabelle 3, Vergleich "B2" zu "B1" = + xx dt/ha.

Erträge und Qualitäten der Sorten

2015 wurden sowohl über alle gemeinsamen Anbauregionen in NRW und Niedersachsen als auch bei alleiniger Betrachtung der landeseigenen Versuchsstandorte rund 20 % höhere Erträge als im Vorjahr erzielt. Bei fünfjähriger Betrachtungsweise stellt dies das mit Abstand beste Ergebnis dar. Als praxisnahe Grundlage für gut gesicherte Sortenempfehlungen dienen die mehrjährig erzielten Leistungen der Sorten aus der höheren Intensitätsvariante.

Der Tabelle 3 sind die diesjährig an den verschiedenen Prüfstandorten in den jeweiligen Ackerbauregionen erzielten Sortenertragsleistungen, fallend sortiert nach ihrem Gesamtmittel und jeweils über die Anzahl der geprüften Ackerbauregionen, zu entnehmen. Ab dem aktuellen Erntejahr wird dabei die Grenzdifferenz (GD) über die dargestellte Leistung der Sorten in der behandelten Variante (= GD B2), und zusätzlich die zur Bewertung der Versuchsgüte herangezogene und bis dato ausgewiesene GD über den gesamten Versuch angegeben (= GD).

Hier wird schnell deutlich, dass sich die Sorten in Abhängigkeit der jeweiligen Anbauregion differenzieren, wobei die Sorte SY Leoo (H) unter den mehrjährig geprüften Sorten, wie schon in den vergangenen Jahren, über alle Anbauregionen beständig gute Erträge erzielte. Bedauerlicherweise wird nach Angaben des Sorteninhabers ab nächstem Jahr kein Saatgut dieser Sorte mehr zur Verfügung stehen. Für die kommende Herbstaussaat sollte jedoch Saatgut vorhanden sein. Auf den Löß-, Lehm- und Sandstandorten zeigte erneut die Hybridgerste Galation konstant gute Leistungen. Die Sorte Pelican, nur noch auf den Löß- und Höhenstandorten geprüft, erbrachte hier gute Ergebnisse. Die Sorte KWS Meridian zeigte diesjährig auf Lehm, KWS Tenor auf Sand und KWS Keeper auf Löß zufriedenstellende Leistungen. Die neuere, zweijährig geprüfte Sorte Wootan (H) erbrachte nur auf dem Sandstandort in Niedersachsen eine schwächere Leistung, wobei, über das Mittel aller Ackerbauregionen betrachtet, sich diese Hybride diesjährig nicht ertragsstärker als die ältere Sorte SY Leoo (H) zeigte. Bei den erstjährigen Ergebnissen der neuen Sorten weist die Liniensorte Joker die beste Leistung der vier Prüfkandidaten auf.

Basis für die anbauregionsspezifischen Sortenempfehlungen sind die in der Tabelle 4 aufgeführten mehrjährigen Ertragsergebnisse. Die daraus resultierenden Sortenempfehlungen sind der Tabelle 7 zu entnehmen. Generell liegt das neben den herausragenden Sorten liegende Leistungsspektrum der im Mittel nur durchschnittlichen Sorten äußerst eng beieinander. Dieses erklärt sich nachvollziehbar dadurch, dass in den Landessortenversuchen - als sehr dynamisches Prüfsystem - durch jährlich sorgfältige exakte Prüfung und Selektion, immer nur die besten mehrjährig bewährten, zusammen mit den neueren und neuesten Sorten geprüft werden.

Der Tabelle 5 sind die Ergebnisse der hl-Gewichtsleistungen der Sorten zu entnehmen. Es zeigen sich mehrjährig Sortenleistungsunterschiede, die aber beim überwiegenden Teil des Sortenempfehlungssortimentes im oberen Bereich und hier recht eng zusammenliegen. Nur in einigen Fällen, Standort Wehnen (farbig hinterlegt), liegen diesjährig die absoluten hl-Gewichtsleistungen unter 62 kg/ha. Bei einer Vermarktung sind hier Preisabschläge zu erwarten. Die neue, ertraglich interessante Sorte Joker bestätigt im ersten Prüfjahr ihre schlechte Einstufung in diesem Merkmal.

In der Tabelle 8 sind zusammengefasst die besonderen sortenspezifischen Ertragsbildungsmerkmale sowie weitere besondere Eigenschaften der Empfehlungssorten aufgeführt. Die Angaben zu den sortenspezifisch erforderlichen ertragsstrukturellen Voraussetzungen, wie Bestandesdichte, Kornzahl je Ähre sowie TKM, für das Erreichen hoher Erträge beruhen auf langjährigen Ergebnissen zu diesen Merkmalen (n =). Je mehr Einzelergebnisse vorliegen, desto genauer ist die Aussage. Diese Hinweise, insbesondere zu den Bestandesdichten der einzelnen Sorten, sind auch derart zu verstehen, dass dünner stehende Bestände einer Sorte nicht aufgrund einer mangelnden N-Düngung oder sonstiger unvollkommener pflanzenbaulicher Maßnahmen entstanden sind, sondern dass es ein sortentypisches Bestandesdichtebild ist.

Relevante Punkte bei der Sortenbewertung

Die in den Exaktversuchen zwischen einigen Sorten vorhandenen Ertragsdifferenzen von 1 bis 2 % lassen sich in der Praxis nicht wiederfinden. Deshalb sollten solche geringen Differenzen keinen übermäßigen Einfluss auf die Bewertung einer Sorte und die Sortenwahl haben. Ein im aktuellen Jahr mal unterdurchschnittliches Ertragsergebnis von sonst sich mehrjährig bewährten Sorten sollte nicht überbewertet werden, vor allem, wenn die eigenen Anbauerfahrungen mit solchen Sorten bislang gut waren. Entsprechend umgekehrt sollte ein aktuell überproportional gutes Ergebnis nicht das alleinige Maß für die Sortenwahl darstellen. Dieses gilt generell vor allem für die neuen, erstjährig geprüften Sorten. Ein Vergleich von Ergebnissen der im eigenen Betrieb angebauten Sorten mit den Ergebnissen dieser aus den LSV berücksichtigt nicht die im Betrieb teilweise vorhandenen anderen Anbaubedingungen und schränkt damit eine exakte Beurteilung ein. In den Landessortenversuchen müssen sich nämlich diese Sorten gegenüber 20 bis 25 anderen Sorten unter verschiedenen Ackerbau - Regionsbedingungen in mehrfacher Wiederholung messen lassen, so dass hier der Vergleich um ein Vielfaches schärfer und genauer ist. Vor diesem Hintergrund ist erklärbar, dass die eigenen, möglicherweise noch guten Anbauerfahrungen mit einer Sorte sich nicht unbedingt mit einem korrespondierenden Sortenergebnis aus den Landessortenversuchen decken.

Wie die letzten Jahre bereits gezeigt haben, ist auch zukünftig mit jährlich anderen Witterungsbedingungen und auch Witterungsextremen zu rechnen. Es ist daher empfehlenswert, im Sinne einer Ertrags-Risikostreuung je nach einzelbetrieblichem Umfang der Wintergerstenfläche mindestens zwei Sorten mit deutlich unterschiedlichen Entwicklungs- und Reifezeitpunkten anzubauen. Dies ermöglicht darüber hinaus auch, Arbeitsspitzen bei Düngung, Pflanzenschutz und der Ernte zu entzerren.

Agronomische Eigenschaften der Sorten

Auf einige Besonderheiten bei der vorgenommenen Sortenbewertung soll im Folgenden hingewiesen werden, bestimmte siehe Tabelle 8. Mit Blick auf die Leistung der Hybriden zeigen die mehrjährig geprüften Sorten SY Leoo und Galation insgesamt eine überwiegend höhere, jedoch nicht überragende Ertragsleistung gegenüber den besten Liniensorten. Hinsichtlich der Gesundheit sowie den agronomischen Merkmalen zeigt die EU-Sorte Galation bezüglich der Merkmale Halm- und Ährenknicken eine leichte Verbesserung gegenüber der Sorte SY Leoo. Diese Schwäche Letztgenannter kann unter gegebenen Umständen den Ertrag zum Teil erheblich schmälern. Die neuere, zweijährig im LSV geprüfte Sorte Wootan zeigt hier keine weitere Verbesserung. Auf der anderen Seite haben die modernen Hybridsorten im Vergleich zu älteren Hybriden wie Zzoom eine deutliche Verbesserung im hl-Gewicht erfahren.

Auf den Lehmstandorten zeigen die drei eingeschränkt empfohlenen, mehrjährig geprüften Sorten im Mittel der letzten fünf Jahre durchschnittliche Ertragsleistungen. Differenzierungen sind hier eher in den agronomischen Merkmalen zu finden. So ist die lageranfälligere, winterharte Sorte Matros (2) nicht resistent gegenüber Gelbmosaikvirus und sollte auf stark gefährdeten Standorten auf keinen Fall angebaut werden. Die Sorte erzielt jedoch gute hl-Gewichts-Leistungen, während die Sorte KWS Tenor deutlich unsicherer in diesem bezahlungsrelevanten Merkmal anzusehen ist. Andererseits zeigte sich KWS Tenor 2011/12 positiv hinsichtlich ihrer Winterhärte. Auffällig ist bei dieser Sorte die nahezu konstant, leicht unterdurchschnittliche Ertragsleistung auf dem NRW-Standort Lage-Heiden. Die neuere, strohstabilere KWS Sorte KWS Keeper zeichnet sich durch die Gelbmosaikvirusresistenz auch gegen den Typ 2 (BAYMV-2) aus, was nach Mitteilungen aus der Praxis in NRW auf gefährdeten Lehmstandorten durchaus ein Sortenwahl-Entscheidungskriterium sein kann. Auch die ganz neue Sorte Joker weist diese besondere Eigenschaft, und nach den vorliegenden Ergebnissen aus Wertprüfung und erstem Jahr LSV dabei eine höhere Ertragspotenz, auf. Die im Rahmen der regulären Versuchsabfolge aufgrund wiederholt unbefriedigender Leistung auf Lehm nicht mehr geprüfte Sorte Loreley bestätigt auch 2015, nach auf Wunsch der Beratung erneuter Prüfung im Anhangsortiment, eindrucksvoll diese Entscheidung.

Auf den Sandstandorten standen diesjährig erneut nur zwei Standortergebnisse zur ergänzenden mehrjährigen Sortenbeurteilung zur Verfügung, so dass in Grenzfällen der Schwerpunkt bei der Beurteilung 2015 auf dem NRW-Standort lag. So weist zum Beispiel die sehr strohstabile und winterharte Sorte Loreley auf dem niedersächsischen Standort Wehnen keine guten Ertragsleistungen auf, während die Erträge auf dem NRW-Standort sehr zufriedenstellend sind. Auf der anderen Seite zeigt die eingeschränkt empfohlene Sorte Antonella, die in den Merkmalen Halm- und Ährenknicken schlecht eingestuft aber über eine hohe Blattgesundheit verfügt, in NRW keine überdurchschnittliche Leistung. Auf den beiden Standorten im benachbarten Kammerland ist sie jedoch sehr ertragsstark und damit in der mehrjährigen Betrachtung empfehlenswert. Beide Sorten sind in der hl-Gewichtsleistung eher schwächer einzustufen. Auffällig bei den beiden neueren Sorten Wootan (H) und Quadriga ist die zwischen den beiden LSV-Prüfjahren stark auseinanderdriftende Ertragsleistung.

Durchschnittsniveaus in den Höhenlagen

Auf den Höhenstandorten liegen die eingeschränkt empfohlenen Sorten in der Mehrzahl der Jahre auf einem durchschnittlichen Niveau. Dabei bestätigt die Sorte Pelican erneut in NRW spezifisch auf dem Standort Steinheim-Breitenhaupt gute Leistungen, während auf den geographisch deutlich höher gelegenen Standorten die Leistung über die Jahre schlechter ist. Auch die Sorte Leibniz zeigt auf den Höhenstandorten abermals standortspezifisch gute Leistungen in NRW. Beide Sorten sind hinsichtlich ihrer Strohstabilität schlecht eingestuft. Matros (2), KWS Tenor und Leibniz weisen eine höhere Winterhärte auf. Unter dem Aspekt der Gelbmosaikvirusresistenz ist die Sorte KWS Keeper eine Anbauoption, wenn bereits gute Erfahrungen mit dieser Sorte vorliegen. Ebenso wie auf den Lehmstandorten könnte sich hier jedoch die neue Sorte Joker möglicherweise als ertragspotenterer Nachrücker für dieses Entscheidungskriterium erweisen. Hier gilt es jedoch, mit Blick auf die Datenlage, für eine sichere Bewertung weitere Versuchsjahre abzuwarten.

Auf den Lößstandorten zeigt sich eine Sortenbewertung durch die per se geringe Standort- und damit auch Datenzahl als nicht einfach. Insgesamt ist darüber hinaus das Leistungsspektrum der geprüften Sorten sehr dicht und auf einem hohen Niveau. Über die Jahre betrachtet ergeben sich hier nur marginale Unterschiede. Die vorgenommene Empfehlung der Sorten für Löß stellt daher eine Art Feintuning dar. Nicht ausgesprochen empfohlene Sorten sind also nicht als schlecht zu beurteilen. Bei der Sorten-Entscheidungsfindung kann neben der zusätzlichen Bewertung agronomischer Eigenschaften auch das Leistungsvermögen der Sorten auf den Lehmstandorten sachdienlich sein. Es sei lediglich darauf hingewiesen, dass die Leistung einer ganz jungen Sorte, wie KWS Kosmos, bei Betrachtung sowohl der LSV- als auch der Wertprüfungs-Ergebnisse unter dem Aspekt des Zuchtfortschrittes besser hätte sein können und müssen.

Auch auf den Lößstandorten wurde über das LSV-Sortiment hinaus eine Reihe von Sorten geprüft, die im Rahmen der regulären Versuchsabfolge aus dem LSV-Sortiment ausgeschieden sind, aber aufgrund regionaler Bedeutung weiter mit geprüft werden. Standfestigkeit war dieses Jahr von den Gerstensorten nicht besonders gefordert, so dass die sehr gute Leistung der Sorte Lomerit nicht überbewertet und im Kontext der vorangegangenen Jahre gesehen werden muss. Ebenso ist die diesjährige Leistung der Sorte Marcorel mit den Ergebnissen aus den Vorjahren zu relativieren. Die übrigen vier Kandidaten bestätigen nur erneut die schwächere Leistung und auch geringere Ertragstreue gegenüber den LSV-Sorten.

Wirtschaftlichkeit der Intensitäten

Neben der Bewertung der Ertrags- und Qualitätsleistungen der Sorten im Landessortenversuch ist auch die Beurteilung eines eventuell vorhandenen sortenspezifischen Intensitätsanspruchs von Bedeutung. Hier spielen die verschiedenen agronomischen Eigenschaften der Sorten eine Rolle, siehe Tabelle 6. Die Frage lautet, ob es Sorten gibt, die aufgrund ihrer besseren Gesundheit sowie Standfestigkeitsmerkmale tendenziell mit einem reduzierten Pflanzenschutz wirtschaftlicher produziert werden können.

Bei der diesjährigen Auswertung der sortenspezifischen bereinigten Marktleistung zeigt sich sehr eindeutig, dass überwiegend bereits in der unbehandelten Variante (B1) die höchste bereinigte Marktleistung erzielt wurde, während dies im Vorjahr in der B2 der Fall war. Diese gravierenden Unterschiede lassen sich nicht allein mit den in diesem Jahr deutlich höheren Produktionskosten von etwa 50 €/ha erklären. Vielmehr ist zu unterstellen, dass die in diesem Jahr schon in der unbehandelten Variante erzielten Höchsterträge über zusätzliche produktionstechnische Maßnahmen (B2) wirtschaftlich nicht mehr abgesichert werden konnten. Insofern ist dieses Jahr als Ausnahmejahr zu betrachten und lässt somit eine sortenspezifische Validierung der bisherigen Intensitätsansprüche nicht zu. Auffällig ist lediglich, dass die neueren zwei- und erstjährig geprüften Sorten sich nicht von den älteren Prüfkandidaten unterscheiden. Ein spürbarer Züchtungsfortschritt hinsichtlich einer deutlichen Verbesserung der Strohstabilität oder Gesundheit aber auch der Ertragspotenz lässt sich damit nicht nachweisen, weil diese drei Aspekte letztlich die Wirtschaftlichkeit von Intensitätsmaßnahmen bestimmen.

Für das Erntejahr 2015 wurden darüber hinaus zum dritten Mal die Leistungen der diesjährig ertragsstärksten mehr- und zweijährig geprüften Hybrid- und Liniensorten in den einzelnen Anbauregionen gegenübergestellt. Mit dem Anbau von Hybriden gehen bekanntermaßen höhere Saatgutkosten einher, die durch verminderte Aussaatstärken und höhere Erträge kompensiert werden sollen und letztlich auch müssen, um den Anbau wirtschaftlich zu gestalten. In wie weit diese Voraussetzung erreicht wurde, sollte der Vergleich über die in Tabelle 9 aufgeführten Sorten in den jeweiligen Anbauregionen hervorbringen.

Auch in diesem Jahr zeigte sich, dass, höhere Kosten für Hybridsaatgut von 55 €/ha und einen Gerstenpreis von 15,5 €/dt angenommen, in keiner Anbauregion die Mehrkosten eingefahren werden konnten. Nach derzeitigem Stand und auch dreijähriger Betrachtung ist somit die Leistung der Hybriden aus wirtschaftlichem Blickwinkel betrachtet nach wie vor noch nicht überzeugend. Man bedenke in diesem Zusammenhang jedoch auch, dass es bei der Getreideart Roggen rund 15 Jahre gedauert hat, bis sich die Hybriden von den Populationssorten wirtschaftlich abgesetzt haben. Für Grenzstandorte, wie insbesondere sehr sandige Böden mit möglichen Trockenstressbedingungen, können Hybriden dennoch eine Option darstellen. Festzustellen ist darüber hinaus im Vergleich zu den Liniensorten die über alle Standorte und Jahre hinweg deutlich konstantere, also überdurchschnittliche Ertragskonstanz. Der positive Heterosiseffekt hinsichtlich Robustheit und Frohwüchsigkeit scheint sich hieran zu bestätigen.

Autor: Dr. Kathrin Bürling