Landessortenversuche Stoppelweizen und Spätsaatweizen 2021

Weißährigkeit in StoppelweizenBild vergrößern
Weißährigkeit in Stoppelweizen

Aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Bedeutung wird Winterweizen vor allem in den klassischen Ackerbauregionen auch als "Stoppelweizen" nach Weizenvorfrucht angebaut. Früh- und Spätsaaten bei Wintergetreide bieten bestimmte Vorteile, bergen aber auch Risiken.

Stoppelweizenanbau auf dem Rückzug?

Die Anbaufläche von Stoppelweizen wird stark von den Deckungsbeiträgen alternativer Nutzungsformen beeinflusst. Auch aufgrund steigender gesetzlicher Anforderungen an die Anbaudiversifizierung ist der Anbau von Weizen nach Weizen in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Die aktuell guten Weizenpreise (und gegebenenfalls bereits abgeschlossene Vorkontrakte) könnten dazu führen, dass im Herbst 2021 wieder mehr Winterweizen als Stoppelweizen bestellt werden wird. Bei einer ökonomischen Bewertung des Stoppelweizenanbaus sollte berücksichtigt werden, dass gegenüber einem optimal geführten Blattfruchtweizen durchschnittlich mindestens 5-10% geringere Erträge zu erwarten sind. Die Pflanzenschutzkosten hingegen liegen oft deutlich höher als beim Anbau nach Raps, Kartoffeln oder Zuckerrüben. Ursache dafür ist vor allem der aus dem vorherigen Weizenanbau resultierende höhere Krankheitsdruck. Dies betrifft sowohl verschiedene Fußkrankheiten (Halmbruch, Schwarzbeinigkeit, Schneeschimmel, Rhizoctonia, Fusarium) als auch über Stroh und Stoppeln übertragbare Blattkrankheiten (Blattseptoria, DTR, Ährenfusarium). Da der Befall nicht nur von der Vorfrucht, sondern auch vom Vorbefall, dem Stroh-, Stoppel- und Bodenmanagement, dem Saattermin und vor allem der Witterung beeinflusst wird, liegen die tatsächlichen Mindererträge teilweise deutlich höher. Besonders in diesem Jahr, dem ein relativ warmer und damit befallsfördernder Herbst vorausging, fielen die Erträge im Stoppelweizen (und in nach Getreide angebauter Triticale) oft nur gering aus. Als eine Ursache konnte an vielen Standorten ein Befall mit Schwarzbeinigkeit ermittelt werden. Die typische Fruchtfolgekrankheit profitierte von der feucht-kühlen Witterung im Frühling. Dass die Stoppelweizenerträge auch an Standorten ohne Schwarzbeinigkeit oft enttäuschend ausfielen lässt darauf schließen, dass auch andere Fußkrankheiten eine Rolle gespielt haben. Besonders in Weizenbeständen die zusätzlich "nasse Füsse" bekommen hatten, zeigten sich bereits deutlich vor der Abreife die ersten weißen Ähren im Bestand.

Sortenempfehlungen und Hinweise für Stoppelweizen

Die Auswahl geeigneter Sorten kann dazu beitragen, mögliche Probleme beim Anbau von Stoppelweizen zu reduzieren. Winterweizensorten mit einer geringen Anfälligkeit für Halmbruch, Blattseptoria und DTR sind auch bei intensivem Pflanzenschutzmitteleinsatz ertragssicherer als anfällige Sorten. Auch hinsichtlich der Anfälligkeit gegenüber Schwarzbeinigkeit scheinen Sortenunterschiede zu bestehen, die sich aufgrund der geringen Datenlage aber bisher nicht darstellen lassen. Die Stoppelweizeneignung verschiedener Sorten wird daher auch daran gemessen, wie diese in den Stoppelweizenversuchen der Landwirtschaftskammer NRW abschneiden. 2021 wurden in drei Versuchen in NRW durchschnittliche Stoppelweizenerträge von 85,2 dt/ha (Buir), 83,8 dt/ha (Haus Riswick) und 68,6 dt/ha (Berlingsen) erzielt. Die entsprechenden Mindererträge lagen im Vergleich zu den nach Blattfrüchten angelegten regionalen Landessortenversuchen bei 14%, 5% und 27%. Da die Stoppelweizenversuche allerdings nicht auf den gleichen Flächen standen, ist ein solcher Vergleich der Ertragsleistung nur bedingt aussagekräftig. Schwarzbeinigkeit trat nur an den beiden letztgenannten Standorten auf. Bei der statistischen Auswertung wurden zusätzliche Stoppelweizenversuche aus Niedersachsen einbezogen. Als für den Stoppelweizenanbau geeignete A-Weizen stellten sich mehrjährig die Sorten Asory und Hyvega heraus. Asory ist hinsichtlich der Anfälligkeit gegenüber Halmbruch, Blattseptoria und DTR allerdings nur durchschnittlich eingestuft und konnte in diesem Jahr nur eingeschränkt überzeugen. Hyvega erzielte auch als Stoppelweizen eine hohe Ertragsleistung und bestätigt damit die besondere Umweltstabilität der Hybridsorten. LG Character konnte sich im ersten Prüfjahr ebenfalls als Stoppelweizen behaupten. Bei den B-Weizen erzielten die Sorten Benchmark, Campesino, Chevignon und KWS Donovan in den Stoppelweizenversuchen überdurchschnittliche Erträge. Benchmark ist aufgrund der etwas höheren Auswinterungsneigung und der Anfälligkeit für Gelb- und Braunrost nicht für alle Anbaugebiete und Betriebe zu empfehlen. Campesino und KWS Donovan sind wenig anfällig für Halmbruch. Chevignon ist aufgrund der etwas früheren Reife besonders für Standorte geeignet, an denen zusätzlich ein erhöhtes Risiko für Vorsommertrockenheit besteht. KWS Talent, Informer und LG Vertikal erzielten in den Versuchen zwar nur leicht unterdurchschnittliche Erträge, die aber weniger auf eine fehlende Stoppelweizeneignung als auf ein insgesamt geringeres Ertragspotential zurückzuführen sind. Der C-Weizen Elixer kann auch als Stoppelweizen nicht mehr mit neueren Sorten mithalten.

Auch wenn geeignete Sorten dazu beitragen können, das Anbaurisiko für Stoppelweizen zu reduzieren, sollte der Schwerpunkt weiterhin auf präventiven Maßnahmen liegen. Da viele der im Weizenanbau relevanten Krankheiten auf Stroh- und Stoppelresten überdauern empfiehlt es sich, das Stroh der Weizenvorfrucht abzufahren. Ansonsten sollte eine möglichst gute Stroh- und Streuzerkleinerung und anschließende -verteilung angestrebt werden. Maßnahmen, die zu einer raschen Strohrotte beitragen sind besonders für Mulchsaaten relevant. Ausfallgetreide sollte konsequent bekämpft werden, um eine "Grüne Brücke" für Septoria, Rost und Viruskrankheiten zu vermeiden. Auch aus diesem Grund sind für Stoppelweizen eher spätere Saattermine zu empfehlen.

Was bringt eine Zusatzbeize?

Die meisten (nicht alle) Standardbeizen für Getreide bieten einen ausreichenden Schutz gegenüber Schneeschimmel und Fusarium culmorum. Bei einem zu erwartenden Befall mit Schwarzbeinigkeit wird die Zusatzbeize Latitude XL zur Absicherung der Ertragsleistung angeboten. Mehrjährige Untersuchungen der Landwirtschaftskammer NRW bestätigen, dass sich der Einsatz im Stoppelweizenanbau durchschnittlich rechnet. Besonders für Mulchsaaten und bei frühen Saatterminen wird die Zusatzbeize daher empfohlen. Der Einsatz von Latitude XL in Wintergerste und Wintertriticale führte in bisher 2-jährigen Untersuchungen nur selten zu gesteigerten Erträgen. Bei besonders hohem Befallsrisiko kann aber auch in diesen Kulturen eine Zusatzbeizung erfolgen.

Früh- und Spätsaaten bei Winterweizen

Winterweizen ist das Getreide mit der höchsten Saatzeitflexibilität. Der mögliche Saatzeitraum ist abhängig vom Anbaugebiet: In den Höhenlagen des Sauerlands, Siegerlands und Bergischen Lands erfolgen die ersten Frühsaaten bereits ab dem 20. September. Spätestens zum 30. Oktober sollte die Aussaat abgeschlossen sein. In der Köln-Aachener Bucht beginnt der mögliche Saatzeitraum für Frühsaaten erst am 20. Oktober. Spätsaaten erfolgen gelegentlich noch nach dem 31. Dezember. Der optimale Saattermin wird auch von der jährlichen Witterung, dem Boden, der Vorfrucht und dem zu erwartenden Auftreten von Unkräutern und Ungräsern, Krankheiten und Schädlingen bestimmt.

Frühsaaten können auf geeigneten Standorten sehr hohe Erträge erzielen. Besonders nach Winterraps bietet sich eine frühe Aussaat von Winterweizen an, da dieser meist einen bereits garen Boden hinterlässt. Auch darüber hinaus sind gute Bodenbedingungen ein häufiges Argument für eine frühe Aussaat. Auf nicht geeigneten Standorten überwiegen oft die Nachteile. Dazu zählen unter anderem Standorte, auf denen Ackerfuchsschwanz oder Windhalm ein Problem darstellen. Hier gilt es zunächst die Ungrassituation in den Griff zu bekommen. Auch Standorte mit einem hohen Krankheitsdruck, etwa aufgrund von engen Getreidefolgen, sind für eine frühe Aussaat nur bedingt geeignet. Nicht zuletzt erhöhen Frühsaaten das Risiko für einen Befall mit von Blattläusen übertragenen Gelbverzwergungsviren. Bei der Sortenwahl ist neben einer möglichst geringen Anfälligkeit für Mehltau, Gelbrost, Blattseptoria und Fußkrankheiten auch auf das Auswinterungsrisiko zu achten. Sorten, die sich bereits im Herbst sehr stark entwickeln (z.B. Chevignon) oder eine geringe Winterhärte aufweisen (z.B. Benchmark) sind für frühe Saattermine nicht geeignet. RGT Reform und Asory haben sich mehrjährig auch bei früheren Aussaatterminen bewährt. LG Initial überzeugt besonders durch eine gute Blattgesundheit und geringe Lagerneigung. LG Character und SU Jonte scheinen von ihren Sorteneigenschaften für frühe Aussaattermine geeignet. Bei den B-Weizen sind neben Campesino und Informer besonders die sehr gesunden Sorten Gentleman und Akasha zu nennen.

Spätsaaten von Winterweizen erfolgen in der Praxis oft nach spät räumenden Vorfrüchten wie Körnermais oder Zuckerrüben. Auch wenn zum geplanten Saattermin die Bodenbedingungen keine geeignete Saatbettbereitung zulassen, ist es oft zweckmäßiger einen späteren Saattermin zu wählen, statt einen schlechten Feldaufgang zu riskieren. Spätsaaten erreichen in den meisten Jahren zwar nicht ganz das Ertragsniveau von Normalsaaten, sind ökonomisch aber meist trotzdem besser zu bewerten als der Anbau von Sommergetreide. Anders als bei früh gesäten Beständen spielen die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und die Lagerneigung bei der Sortenwahl für Spätsaaten nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend für einen guten Spätsaatweizen sind eine gute Winterhärte und ein gutes Regenerations- und Bestockungsvermögen. Da diese Sorteneigenschaften offiziell nur unzureichend beschrieben sind, prüft die Landwirtschaftskammer NRW die Spätsaateignung verschiedener Sorten in zusätzlichen Spätsaatversuchen. Diese erfolgten 2021 in Buir (Löss), Haus Riswick (Lehm) und Breitenhaupt (Mittellage). Die Aussaat erfolgte etwa 4 Wochen nach der Normalsaat. Die durchschnittliche Ertragsleistung der geprüften Sorten lag 7-18% unterhalb der Erträge in der Normalsaat. Spätsaaten schienen in diesem Jahr etwas stärker unter der Witterung zu leiden als in den vorherigen Jahren, in denen die durchschnittlichen Mindererträge nur bei 2-10% lagen. Als mehrjährig spätsaatgeeignet zeigte sich die Sorte Asory, obwohl diese für einen Spätsaatweizen erst relativ spät reif wird. RGT Reform erzielte in den Versuchen zwar nur unterdurchschnittliche Erträge, ist aber sehr winterhart und daher auch für sehr späte Saattermine geeignet. LG Character konnte im ersten Prüfjahr als Spätsaatweizen überzeugen, zählt aber ebenfalls zu den späteren Sorten. Campesino, Chevignon und KWS Donovan erzielten sowohl bei Normal- als auch bei Spätsaaten deutlich überdurchschnittliche Erträge. Campesino ist besonders winterhart. Chevignon überzeugt durch eine besonders hohe Wüchsigkeit zu Beginn der Vegetationszeit und eine relativ frühe Abreife. LG Vertikal und KWS Talent sind als Spätsaatweizen ebenfalls gut geeignet. Benchmark erzielte zwar durchschnittliche Erträge, ist aber nicht besonders winterhart. Bei sehr späten Saatterminen bietet sich besonders in wärmeren Anbaugebieten die Aussaat eines Wechselweizens an. Licamero ist für einen Sommerweizen relativ winterhart und erzielte in der Herbstaussaat zumindest durchschnittliche Erträge. Der Vorteil gegenüber Winterweizen besteht vor allem im geringeren Vernalisationsbedarf und dem sicheren Übergang in die generative Phase.

Bei allen Überlegungen zur optimalen Saatzeit ist zu bedenken, dass die durchschnittliche Temperatur im Herbst in den vergangenen Jahrzehnten um etwa 0,1°C je Dekade angestiegen ist. Daraus resultiert, dass auch normale Saattermine eigentlich immer weiter nach hinten rücken müssten.

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Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch