Landessortenversuche Winterweizen 2008 - Frühsaaten

Erntereifes Weizenfeld

Ergebnisse „frühreife“ Weizensorten 2008

Neben dem normalen Blattfruchtweizen - nach Zuckerrüben, Kartoffeln, Raps oder auch Mais - sind in Nordrhein-Westfalen noch weitere Weizensortenversuche mit deutlicher frühreifen Sorten durchgeführt worden. Die Ergebnisse stellt Dr. Joachim Holz, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, vor.

Sehr frühreife Sorten sind gegenüber den normalreifen Weizensorten rund ein- bis eineinhalb Wochen früher druschreif. Daher werden sie in einem gesonderten Sortiment geprüft.

Insbesondere auf den Lehm-, Sand- und Höhenlagenstandorten, wie Düsse, Vluyn, Lemgo, Gröblingen, Steinheim-Breitenhaupt oder Meerhof, zeigten die sehr frühreifen Sorten in den letzten vier Prüfjahren im Mittel der Sorten gegenüber den normalreifen Sorten durchaus vergleichbaren Erträge. In den meisten Jahren schnitten die frühreifen Sorten sogar deutlich besser ab. Lediglich auf den sehr ertragreichen Lößstandorten fallen die frühreifen Sorten im Ertrag ab, da Frühreife auch geringere Vegetationszeit und damit Ertragsbegrenzung bedeutet. Diese Erträge zeigen, dass die Rentabilität bei den frühreifen Weizensorten durchaus auf dem normalreifen Blattfruchtweizenniveau liegen der in bestimmten Anbauregionen diese teilweise sogar noch übertroffen werden können.

Folgende Aspekte sprechen für den Anbau sehr frühreifer Weizensorten:

  • Entzerrung von Arbeitsspitzen bei N-Düngung, Fungizidmaßnahmen oder  Ernte, vor allem in größeren Betrieben,
  • als Stoppelweizen-Vorfrucht zu Raps, gleichzeitig mit der Aussaat von Hybridsorten, ergibt eine längere Zeitspanne für eine optimale Saatbettbereitung und Aussaat des Rapses,
  • Stoppelweizenanbau, wenn Gräserbekämpfung in Wintergerste problematisch ist,
  • Anbau auf sehr leichten, trockenen Standorten oder sehr tonigen Standorten,
  • Risikostreuung auf Normal-Standorten mit Frühsommerhitze in der Kornfüllungsphase.

Mögliche Risiken:

  • Auswinterungsgefährdung, zurzeit nur bei französischen Sortenherkünften,
  • Fallzahlproblematik, wenn frühzeitigere Ernte witterungsbedingt nicht möglich ist, 2007 und 2008 nur vereinzelt größeres Problem.

Pflanzenbauliche Reaktionsmöglichkeiten:

  • Der Gefahr einer etwas stärkeren Auswinterung kann begegnet werden durch die Erhöhung der Saatstärke um etwa 20 bis 30 Körner/m² Zuschlag,  sowie einer angepassten Erhöhung der Start-N-Düngung, sollte der überwinterte Keimpflanzenbestand unter 180 je m² liegen.
  • Eine reifeangepasste Ernte sollte angestrebt werden, auch unter Inkaufnahme einer eventuell höheren Kornfeuchte.
  • Frühreife bedeutet nicht, dass auch früher zu säen ist!  Die standortübliche Saatzeit ist bei diesem speziellen Sortensortiment unbedingt einzuhalten.

Die Landessortenversuche

In diesem Jahr wurden an insgesamt acht Standorten in Nordrhein-Westfalen die Landessortenversuche mit insgesamt zehn sehr frühreifen Winterweizensorten angelegt (Tabelle 2). Wegen eines massiven Hagelschlages konnte der Versuch in Kerpen-Buir nicht ausgewertet werden. Die Anbautechnik entspricht der höheren Intensitätsstufe (B 3) der Landessortenversuche für die normalreifen Sorten (Tabelle 1). Dadurch ist auch die Vergleichbarkeit der Erträge aus den verschiedenen Anbausegmenten gegeben.

Es ergaben sich im Mittel der Sorten beachtlich hohe Ertragsniveaus. Von den erstjährig geprüften Sorten zeigt Premio zum Teil interessante Erträge, allerdings nicht überall konstant. In der Tabelle 3 sind die mehrjährigen Ergebnisse aufgeführt, die Tabelle 4 zeigt die Einstufungen der Sorten nach ihren Eigenschaften. Auf der Basis der mehrjährigen Erträge ergeben sich in Tabelle 5 die Sortenempfehlungen. Bei den empfohlenen Sorten Isengrain, Farandole und Nirvana handelt es sich um Grannenweizen. Als Sondereignungsmerkmal bieten sich solche Sorten auf häufig durch Wildschäden beeinträchtigten Flächen in Waldnähe an.

Beschreibung der empfohlenen Sorten

Orvantis (A/B): Mehrjährig recht konstante leicht überdurchschnittliche Erträge. Auf Sand zweijährig nur unterdurchschnittlich. Qualität: Leicht überdurchschnittliche Fallzahlleistung, bei noch mittlerer Fallzahlstabilität, mittlere Rohproteingehalte und   durchschnittliche Sedimentationswerte. Ertragsbildung erfolgt über leicht überdurchschnittliche Bestandesdichte, eine höhere Kornzahl je Ähre sowie eine mittlere TKM. Leicht bereifter, hellerer, steilwüchsiger Wuchshabitus.  Die Pflanzenschutzintensität sollte auf die erhöhte Anfälligkeit gegenüber Lager und Septoria ausgerichtet sein.

Cubus (A): Auf Lehm- und Höhenlagenstandorten konstante leicht überdurchschnittliche, auf Löß- und Sandstandorten diesjährig (leicht) unterdurchschnittliche Erträge. Qualität: Überdurchschnittlich hohe Fallzahl bei geringerer Fallzahlstabilität, unterdurchschnittliche Rohproteingehalte und überdurchschnittlich hohe Sedimentationswerte. Ertragsbildung erfolgt über durchschnittliche Bestandesdichte, etwas höhere Kornzahl je Ähre sowie eine mittlere TKM. Nicht ganz so frühreife, im Wuchshabitus recht lange, blaugrüne Sorte, mit waagerechter Blattstellung. Stärkere Bodenbeschattung. Auffällig ist das lange letzte Internodium. Die Pflanzenschutzintensität sollte auf die erhöhte Anfälligkeit gegen Halmbruch und Braunrost ausgerichtet werden.

Nirvana (A): Auf Löß, Lehm und Sandstandorten für eine A-Sorte langjährig recht gute Erträge. Qualität: Mittlere   Fallzahlleistung bei mangelnder Fallzahlstabilität, unterdurchschnittliche Rohproteingehalte und   leicht überdurchschnittliche Sedimentationswerte. Ertragsbildung über eine leicht überdurchschnittliche Bestandesdichte, eine mittlere Kornzahl je Ähre sowie TKM. Sehr früher, kurzer, standfester Grannenweizen. Dunkelgrün, glänzend wirkende Blattfärbung mit planophiler Blatthaltung. Anfälliger gegenüber DTR, mittlere Blattseptoriaanfälligkeit.

Farandole (B): Auf Löß-, Lehm- und Sandstandorten langjährig recht konstante, leicht überdurchschnittliche Erträge. Qualität: Überdurchschnittliche Fallzahlleistung bei sehr niedriger Fallzahlstabilität, der Proteingehalt ist hoch, der Sedimentationswert ist deutlich unterdurchschnittlich. Ertragsbildung über eine durchschnittliche Bestandesdichte und Kornzahl je Ähre bei leicht überdurchschnittlicher TKM. Standfestere Sorte. Rostgesunde Sorte, Pflanzenschutzintensität ist auf die etwas erhöhte Anfälligkeit gegen Blattseptoria, Mehltau und Ährenfusarium auszurichten.

Isengrain (B): Auf Lehmstandorten sehr konstante, leicht überdurchschnittliche Erträge, in den übrigen Anbauregionen etwas stärker schwankende um den Mittelwert. Qualität: Überdurchschnittliche Fallzahlleistung bei noch recht guter Fallzahlstabilität, Proteingehalt und Sedimentationswert sind durchschnittlich. Ertragsbildung über eine durchschnittliche Bestandesdichte, eine leicht überdurchschnittliche Kornzahl je Ähre sowie leicht unterdurchschnittlicher TKM .  Lageranfälligere Sorte. Pflanzenschutzintensität sollte auf die erhöhte Lageranfälligkeit sowie Blattseptoria-, Braunrost- und Spelzenbräuneanfälligkeit ausgerichtet werden.

Hysun (B) (Hybridweizensorte): In allen Anbauregionen zweijährig überdurchschnittlich hohe Erträge, die diesjährig teilweise allerdings auch von Liniensorten erreicht wurden. Qualität: Leicht überdurchschnittlich hohe Fallzahlleistung bei sehr hoher Fallzahlstabilität. Sedimentationswert und Eiweißleistung gut durchschnittlich. Ertragsbildung über eine durchschnittliche Bestandesdichte, eine deutlich überdurchschnittliche Kornzahl je Ähre sowie eine leicht überdurchschnittliche TKM. Früheste Sorte im Sortiment, etwas stärker zur Auswinterung neigend, sonst etwas standfester. Aussaat mit geringerer Saatstärke, mit 150 Körnern je m². Die Pflanzenschutzintensität sollte auf die erhöhte Anfälligkeit gegen Pseudocercosporella und Gelbrost ausgerichtet werden. Empfehlung: Auf Sandstandorten zum Testen.

Hinweise zur Aussaat

Pflanzenbaulich betrachtet gibt es keinen Grund, die frühreifen Weizensorten früher zu säen als den normalreifen Weizen. Dabei ist unter Frühsaat zu verstehen, wenn die Saatzeit um rund drei Wochen früher liegt als der standortspezifische normale Saattermin. Wenn Arbeitskapazitätsschwierigkeiten unbedingt eine Frühsaat erfordern, dann sollte eher der Blattfruchtweizen gesät werden. Die Saatstärken sollten sich bei normaler, standortspezifischer Saatzeit auf dem Niveau der Blattfruchtweizen bewegen.

Autor: Dr. Joachim Holz