Landessortenversuche Ökoweizen 2010

Weizen im ökologischen Anbau
Weizen im ökologischen Anbau. Foto: Andresa Paffrath

Der Aufbau einer bundeslandübergreifenden Verrechnung von Öko-Landessortenversuche ist weiter vorangekommen. Bundesweit werden flächendeckend für alle im ökologischen Landbau wesentlichen Kulturen Anbaugebiete ausgewiesen. So wurde beispielsweise Ostwestfalen, Nordhessen und das südliche Niedersachsen zu einem gemeinsamen Anbaugebiet zusammenfasst. Armin Meyercordt und Markus Mücke, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, berichten von den Ergebnissen.

Zur Aussaat kommen zuvor gemeinsam abgesprochene, einheitliche Sortimente, die künftig auch gemeinsam an einer Stelle verrechnet werden sollen. Vorteil dieser Vorgehensweise ist eine effizientere Versuchsplanung und Versuchsdurchführung sowie statistisch besser absicherbare Ergebnisse. Damit sind optimale Voraussetzungen für eine noch intensivere Zusammenarbeit zwischen der nordrhein-westfälischen und der niedersächsischen Landwirtschaftskammer entstanden. Vor diesem Hintergrund wurde 2009 zwischen beiden Häusern vereinbart, künftig die Koordination der westfälischen Versuchsstandorte dem Fachbereich Ökologischer Landbau in Hannover zu übertragen.

Im Rahmen eines aus Mitteln des Bundesprogramms Ökologischer Landbau finanzierten und von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen geleiteten Projektes wird geprüft, inwieweit die für Öko-LSV standardmäßig verwendeten konventionell üblichen Prüfmerkmale zu erweitern sind. Vor diesem Hintergrund werden zusätzliche praxisrelevante Eigenschaften, wie Bodendeckungsgrad, Blattstellung, aber auch Qualitätsmerkmale, wie der Feuchtklebergehalt, in Öko-Sortenprüfungen mit erfasst.

Das Projekt erstreckt sich über alle Flächenbundesländer, umfasst 25 Standorte und läuft drei Jahre. Drei gemeinsam festgelegte bundesweit einheitliche Verrechnungssorten sowie vier zusätzliche Ökosorten bilden ein Grund-Sortiment, das auf allen beteiligten Versuchsflächen zur Aussaat kommt. Wenn in diesem Zusammenhang von Ökosorten gesprochen wird, so ist damit gemeint, dass sie entweder ihre Wurzeln in der ökologischen Pflanzenzüchtung haben oder aber bereits viel versprechende Ergebnisse aus der Öko-Wertprüfung von Nachbarstaaten, wie Österreich, aufweisen. Das restliche Sortiment wird auf Anbaugebietsebene festgelegt. Nordrhein-Westfalen ist mit zwei Standorten am Vorhaben beteiligt.

Verschiedene Standortbedingungen

Die Erträge fallen in diesem Jahr auf den nordrhein-westfälischen Prüfstandorten vergleichsweise schwach aus. In Wendlinghausen und Belecke wurden rund 35 dt/ha eingefahren. In Lichtenau waren es gerade 32 dt/ha. Der rheinische Standort Glessen fiel in diesem Jahr wegen zuviel Kraut komplett aus. Angesichts der für ökologisch bewirtschaftete Flächen vergleichsweise guten N min-Gehalte von durchschnittlich 60 kg N/ha im Boden zu Vegetationsbeginn waren eigentlich bessere Erträge zu erwarten. Der deutlich zu kalte Mai ließ die für Bioflächen essentielle Stickstoff-Mineralisation erst spät in Gang kommen. Die sich anschließende Phase mit Trockenheit und Hitze verstärkte diesen Einfluss noch. Dass sich eine derart ungünstige Witterung sowohl auf den Ertrag als auch auf die Backqualitäten auswirken würde, zeichnete sich ab. Zu guter Letzt erschwerte dann auch noch unbeständige Witterung im August die Ernte. Die Standorte Lichtenau und Belecke konnte erst am 20. August gedroschen werden. Damit verzögerte sich auch die Auswertung und Veröffentlichung der Sortenergebnisse. Erstaunlicherweise reagierten die Fallzahlen nicht so stark, wie zunächst befürchtet wurde. Es zeigten sich dabei durchaus Sortenunterschiede.

Ergebnisse des E-Weizen-Sortiments

Die Sorte Akteur stand bereits bis 2006 in den Öko-Landessortenversuchen und hatte sich als eine in Ertrag und Qualitäten ausgewogene Sorte bewährt. Im Rahmen des oben beschriebenen bundesweiten Weizenprojektes ist sie wieder ins Sortiment als eine von drei Verrechnungssorten aufgenommen worden. Akteur konnte in diesem Jahr auf fast allen Standorten überdurchschnittliche Erträge erzielen. Nur in Lichtenau lag der Ertrag knapp unter dem Mittel. Die Qualitäten bewegten sich ebenfalls knapp unter dem Schnitt. In kühlfeuchten Lagen muss aber die hohe Gelbrostanfälligkeit berücksichtigt werden.

Im zweiten Versuchsjahr überzeugte Adler nur am Standort Belecke mit weit überdurchschnittlichem Ertrag. In Wendlinghausen fiel Adler deutlich ab. Auch in Lichtenau verfehlte Adler das gute Vorjahresergebnis deutlich, erreichte aber noch das Ertragsmittel. Bei den Rohproteingehalten kann Adler das Mittel halten. Der Feuchtklebergehalt, das im ökologischen Landbau für die Abrechnung entscheidende Qualitätsmerkmal, liegt erneut sogar noch darunter. Hauptmanko von Adler ist die vergleichsweise hohe Anfälligkeit gegenüber Braunrost. Wie schon im Vorjahr, wies Adler auch in diesem Jahr auf allen Standorten den höchsten Befall auf. Auch auf den benachbarten niedersächsischen Versuchsstandorten fiel sie diesbezüglich negativ auf. Obwohl Adler nicht besonders langstrohig ist, lässt die waagerechte Blattstellung eine gute Beschattung und damit Beikrautunterdrückung erwarten. Wegen der zuvor beschriebenen Schwächen ist Adler in der Gesamtbewertung nicht erste Wahl.

Capo ist bereits mehrjährig in den Versuchen vertreten. Er eignet sich besonders für eher trockene Lagen. Das wird in diesem Jahr erneut deutlich. Auf allen Standorten drosch Capo überdurchschnittlich. Im langjährigen Schnitt bewegen sich die Erträge aber eher um den Mittelwert. Mit Capo lassen sich vergleichsweise sicher überdurchschnittliche Backqualitäten erzielen. Capo ist blattgesund, lang im Wuchs und vermag durch seine gute Beschattung Beikräuter vergleichsweise gut zu unterdrücken. Nur die recht hohe Lageranfälligkeit und die Fallzahlschwäche trübt das Bild.

Die Sorte Astardo stammt aus dem gleichen Züchterhaus wie Capo, wird aber seit diesem Jahr nicht mehr in NRW geprüft. Astardo ist gegenüber Capo blattgesünder und standfester, bei identischen Ertrags- und Qualitätsleistungen.

Die Erträge von Estevan waren im zweiten Versuchsjahr in Wendlinghausen und Lichtenau erneut durchschnittlich. In Belecke dagegen gelang es nicht, das sehr gute Vorjahresergebnis zu wiederholen. Die Backqualitäten bewegen sich um den Mittelwert. Estevan ist ausgesprochen blattgesund, lang im Wuchs und fiel mit einer guten Wüchsigkeit und Bodenbedeckung in den Versuchen auf. Damit scheint sie sich für den Anbau unter Öko-Bedingungen durchaus zu eignen.

Im zweiten Prüfjahr knüpft die Sorte Saturnus auf den Standorten Wendlinghausen und Lichtenau weitestgehend an die durchschnittlichen Erträge des Vorjahres an. In Belecke überraschte Saturnus sogar mit einem Spitzenertrag. Die Backqualitäten liegen, wie schon im Vorjahr, über dem Schnitt.

Die Sorte Bitop konnte sich auf allen drei Standorten gegenüber dem schwachen Vorjahr im Ertrag etwas verbessern. Allerdings erreichte sie nur in Lichtenau das Ertragsmittel. Die Backqualitäten bewegen sich auf ähnlichem Niveau wie Saturnus. Saturnus und Bitop sind ausgesprochen frühreif. Bedingt durch die frühe Abreife, zeichneten sie auf den beiden spät geernteten Standorten bei der Fallzahl. Sie bildeten zusammen mit Arnold die Schlusslichter. Beide bringen aber Eigenschaften mit, die eine gute Eignung für den Öko-Landbau erwarten lassen. Sie sind blattgesund, mittellang und sehr wüchsig. In den Versuchen fielen sie mit einem hervorragenden Beikrautunterdrückungsvermögen auf.

Zu den Sorten im Rahmen des erwähnten Weizenprojektes gehört die begrannte Sorte Arnold. In Wendlinghausen und Belecke fuhr sie durchschnittliche Erträge ein. In Lichtenau lagen sie knapp darunter. Überzeugen kann Arnold bei den pflanzenbaulichen Eigenschaften. Sie ist mittellang, blattgesund und ist ausgesprochen wüchsig mit guter Bodendeckung. In der österreichischen Ökoprüfung hat sie mit Bestnoten bei den Qualitäten abgeschnitten. Auch die hier vorliegenden Qualitätsergebnisse liegen überwiegend mit an der Spitze. Auswuchs bei qualitätsbetonten Sorten ist sehr ärgerlich, da die zu erwartenden monetären Verluste die möglicherweise zu erwartenden Trocknungskosten sicher übertreffen werden. Saturnus, Bitop wie auch Arnold sind rechtzeitig zu ernten.

Die erstmals geprüfte Sorte Philipp schnitt in Wendlinghausen (rel. 104) und in Belecke (rel. 105) erfreulich gut ab. In Lichtenau dagegen lag Philipp knapp unter dem Versuchsmittel. Viel versprechend, da weit über dem Schnitt, zeigten sich die Backqualitäten. Sie reichten teilweise dicht an die hervorragenden Werte von Arnold heran.

Das Interesse an frühreiferen Weizensorten hat in der Praxis aufgrund der wiederholt auftretenden und sehr ausgeprägten trockenen Frühjahre und Frühsommer zugenommen. Die in den Versuchen aufgenommenen Sorten stammen überwiegend aus österreichischer Züchtung und sind ausnahmslos begrannt. Mit Ausnahme von Capo liegt zu den anderen Sorten nur eine vergleichsweise geringe Datengrundlage für eine gesicherte Aussage vor. Die meisten hier geprüften Sorten hinterlassen aber besonders bei den Backqualitäten einen vielversprechenden Eindruck. Auch im übrigen Bundesgebiet weisen die bislang vorliegenden Ergebnisse in diese Richtung.

Den begrannten Sorten wird übrigens nachgesagt, weniger von Wildschweinen geschädigt zu werden.

Ökozüchtungen bereichern das Sortiment

Im Rahmen des bundesweiten Weizenprojektes sind die drei Ökozüchtungen Butaro, Scaro und Wiwa im Sortiment vertreten. Aus bio-dynamischer deutscher Züchtung stammt die Sorte Butaro. Laut Züchter soll sie besonders widerstandsfähig gegenüber Weizensteinbrand sein. In Wendlinghausen und in Belecke erzielte Butaro weit überdurchschnittliche Erträge. In Lichtenau dagegen überzeugte sie nicht. Butaro ist auffallend lang im Wuchs und blattgesund. Die Wüchsigkeit und Bodendeckung lag auf mittlerem Niveau. Der Sorte Wiwa, eine bio-dynamische Züchtung aus der Schweiz, gelang nur in Wendlinghausen ein erfreulicher Ertrag. In Lichtenau (rel. 88) und Belecke (rel. 92) enttäuschte sie. Die Qualitäten bewegen sich weitgehend über den Mittelwert. Aus demselben Züchterhaus stammt auch Scaro. Sie drosch auf Anhieb auf allen drei Standorten überdurchschnittlich. Die Qualitäten fallen allerdings gegenüber Wiwa ab. Wiwa wie auch Scaro zeigten auf allen Standorten eine vergleichsweise schwache Entwicklung während der Schossphase. Ihr Beikraut-Unterdrückungsvermögen in dieser Wachstumsphase war deshalb auch nicht überzeugend. Sie sind aber ausgesprochen lang im Wuchs.

Die bislang vorliegenden Resultate der benachbarten Bundesländer tendieren bei diesen Ökozüchtungen zu überwiegend weit überdurchschnittlichen Qualitäten bei allerdings schwachen Erträgen. Aufgrund der noch geringen Datengrundlage sollten weitere Ergebnisse abgewartet werden. Wer Weizen direkt an einen Bäcker absetzen kann, könnte aber über einen Probeanbau durchaus nachdenken.

Weitere Neuzugänge im E-Sortiment

Neu in den Versuchen sind Genius und Event. Sie droschen auf allen Standorten auf Anhieb gut. Beide Sorten sind mittellang im Wuchs. Beim Beikrautunterdrückungsvermögen taten sie sich aber nicht sonderlich hervor. Die Qualitätsparameter bewegen sich bei beiden auf allen Standorten weitgehend im Mittelfeld. Tendenziell schnitt Genius beim Feuchtkleber etwas besser ab. Auch die niedersächsischen Versuche zeigten ähnliche Resultate.

Das A-Weizen-Sortiment

Die Sorte Naturastar hat mittlerweile in der Praxis eine nicht unerhebliche Bedeutung erlangt. Sie verfügt über Eigenschaften, die im Ökolandbau besonders gefragt sind. Hervorzuheben sind die sehr gute Beikrautunterdrückung durch Frohwüchsigkeit, planophile Blattstellung und Langstrohigkeit sowie die gute Blattgesundheit. Auf allen Standorten bewegen sich die Erträge im langjährigen Schnitt weitgehend um den Mittelwert, häufig sogar darüber. Bei den Backqualitäten hebt sich Naturastar von den übrigen geprüften A-Sorten ab. Insbesondere beim Feuchtklebergehalt kommt sie an das Niveau von guten E-Sorten heran. Wegen der ausgeglichenen Erträge und Qualitäten sowie der guten agronomischen Eigenschaften ist Naturastar nach wie vor gut geeignet.

Die erstmalig geprüfte Sorte Akratos drosch auf allen Standorten auf Anhieb weit überdurchschnittlich. Auch Discus erzielte im ersten Prüfjahr, ausgenommen in Belecke, ebenfalls gute Erträge, diese reichten aber nicht ganz an Akratos heran. Beide sind ausgesprochen blattgesund und mittellang. Format bestätigte im zweiten Jahr in Belecke das gute Vorjahresergebnis. In Wendlinghausen verbesserte sie sich ebenfalls deutlich. In Lichtenau schwankt Format um den Mittelwert. Insgesamt reicht Format im Ertrag aber nicht an die beiden vorgenannten A-Sorten heran.

Akratos, Discus und Format lassen auf allen Standorten eine Eignung als Konsumweizen nicht erkennen. Auch in Niedersachsen wiesen diese Sorten - dort bereits dreijährig geprüft - keine Backeignung auf.

Als einzige ertragsbetonte B-Sorte steht Julius im Sortiment. Auf allen Standorten knüpfte sie an die sehr guten Erträge des Vorjahres an. Julius ist mittellang, standfest und ausgesprochen blattgesund. Aufgrund der fehlenden Backqualität eignet sich Julius primär für Umstellungsbetriebe oder für Betriebe die im Rahmen einer Dungkooperation oder für die eigene Viehhaltung Futter erzeugen möchten. Eine aktuelle Übersicht im Handel erhältlicher biologisch erzeugter Saatgutpartien ist unter www.organicXseeds.de zu finden.

Autor: Armin Meyercordt und Markus Mücke, LWK Niedersachsen