Landessortenversuche Wintergerste 2009

Wintergerste mit fehlenden SpindelnBild vergrößern
Bei einigen Sorten haben sich die unteren zwei bis drei Spindelstufen nicht ausgebildet. Mindererträge waren die Folge. Foto: Dr. Joachim Holz

Wintergerste: Erträge zufrieden stellend, Qualitäten gut

Das Vegetationsjahr 2008/09 war im Wesentlichen durch eine außergewöhnlich lange Vegetationsruhe geprägt. Der nachfolgend im April auftretende rasante Temperaturanstieg, begleitet von nur geringen Niederschlägen, ließ jedoch das Schlimmste befürchten. Nach Berichten aus der Praxis konnten jedoch im Mittel überraschend befriedigende bis gute Erträge erzielt werden, bei durchweg guten bis sehr guten hl-Gewichten, wie Dr. Joachim Holz und Heinz Koch beschreiben.

Die Ernte startete normal gegen Ende Juni, zögerte sich dann allerdings landesweit bis etwa zum 20. Juli infolge ungünstiger Witterungsbedingungen hinaus. Im Mittel der letzten neun Jahre schwankt die Wintergerstenanbaufläche in NRW um 172 500 ha. Im Jahr 2008 betrug sie im Rheinland rund 34 100 ha, in Westfalen-Lippe 138 400 ha, siehe Tabelle 1. Vorläufige Anbauschätzungen des statistischen Landesamtes Düsseldorf für das aktuelle Anbaujahr sind leider noch nicht verfügbar.

Als Spezialität der Wintergerste ist die Winterbraugerste zu sehen. Sie erlangt bei Mälzern und Brauern zunehmendes Interesse. Ihr Anteil in der Verarbeitung hat in den letzten Jahren stetig zugenommen, da es die Züchtung geschafft hat, das Qualitätsniveau fast auf Sommerbraugerstenniveau zu heben. Für die Vermarktung gelten auch hier die Höchstproteingehalte von 11,5 %. Diese konnten in den letzten beiden Versuchsjahren problemlos bei entsprechend angepasster N-Düngung eingehalten werden. Pflanzenbaulich sind diese Sorten insgesamt extensiver zu führen, erbringen höhere Erträge und bieten ein höheres Maß an Ertragssicherheit im Vergleich zur Sommerbraugerste. Zwischen Futtergerste und Winterbraugerste liegt eine Erzeugerpreisdifferenz von 2 bis 2,50 € je dt. Ertraglich liegen diese Sorten rund 5 bis 8 % unter dem Sortenversuchsmittel der normalen mehrzeiligen Wintergersten. Daher ist betriebswirtschaftlich durchaus zu kalkulieren, ob dieses spezielle Sortensegment zur Rentabilitätsverbesserung beitragen kann.

Gegenüber dem Witterungsverlauf des Vorjahres lassen sich für die drei großen, klimatisch stärker differenzierenden Landesteile Rheinland, Münsterland und Ostwestfalen-Lippe in diesem Vegetationsjahr - von Oktober 2008 bis Juni 2009 - zum Teil erhebliche Unterschiede ermitteln. Während bei den Niederschlägen im Mittel der neun Betrachtungsmonate im Rheinland ein Defizit von lediglich 40 mm vorhanden waren, betrugen diese im Münsterland beachtliche 164 mm und in Ostwestfalen-Lippe auch noch deutliche 126 mm. Bezüglich der Temperaturen lagen die drei Landesteile im Mittel mit 6,8°C unter denen des Vorjahres. Im Unterschied zum vergangenen Jahr, aber auch vielen anderen zurückliegenden Jahren, war auch im Rheinland und im Münsterland eine rund dreimonatige, in Ostwestfalen-Lippe sogar eine viermonatige Vegetationsruhe mit Temperaturen sehr deutlich unter 5 °C vorhanden. Lediglich der April lag mit 5 °C deutlich über dem Vorjahr. Diese besonderen Witterungskonstellationen beeinflussten vielfach die für die Ertragsbildung entscheidenden Ertragsstrukturfaktoren Bestandesdichte und vor allem die Kornzahl je Ähre. Insgesamt standen den Getreidebeständen häufig weniger Zeit unter Kurztagsbedingungen bei dauerhaften Temperaturen über 5 °C für eine ausreichende Bestockung und damit Etablierung einer ausreichenden Bestandesdichte zur Verfügung, gleichzeitig auch weniger Zeit für das während der Bestockung stattfindende Doppelringstadium, welches die Spindelstufenzahl der Ähre und damit die Ährenlänge bestimmt.

Zu wenig Wasser

Die nachfolgend zu Schossbeginn eintretende sehr warme Witterung im April bei den insgesamt schon nicht ausreichend durchfeuchteten Böden aus dem Spätherbst und Winter führten des weiteren häufig zu einer nicht ausreichenden Ausbildung der Ährchen im unteren Spindelstufenbereich, wie auf den Fotos zu sehen. Die trockenheitsbedingt oftmals auch nicht ausreichende N-Versorgung der Bestände verschärfte die Situation zusätzlich. Die in Tabelle 2 aufgeführten Ertragsstrukturen für die einzelnen Ackerbauregionen in NRW verdeutlichen diese Auswirkungen. Die teilweise extrem hohen TKM, bedingt durch nachfolgend höheren Niederschläge im Mai und Juni, konnten bis auf die Höhenlagen die niedrigeren Bestandesdichten und/oder Kornzahlen je Ähre in den übrigen Ackerbauregionen von NRW ertraglich nicht ausreichend kompensieren. Damit sind auch die hohen hl-Gewichte erklärbar.

Etwas weniger Ertrag

Im Mittel der 2009 insgesamt 16 auswertbaren Landessortenversuche aus den verschiedenen Anbauregionen ist gegenüber dem Vorjahr ein noch moderater Minderertrag von 2,3 % zu errechnen. Die Ertragsdifferenzen zum Vorjahr schwanken von + 8 % in den Höhenlagen bis – 9 % auf den Sandstandorten. Auf den Lehmstandorten sind - 4,3 %, auf den Lößstandorten - 1,7 % Mindererträge für dieses Erntejahr zu errechnen. Bei den hl-Gewichten konnte im Mittel aller Versuche mit 66,5 kg/hl gegenüber dem Vorjahr ein um 3,6 % besseres Ergebnis erzielt werden. Auf den Sandstandorten lagen sie teilweise über 70. Eine abzugsfreie Vermarktung bezüglich Kornqualität, die mindestens 64 kg/ha verlangt, ist damit gesichert.

Zehn Versuchsstandorte in NRW

In Nordrhein-Westfalen standen im Vegetationsjahr 2008/09 an insgesamt zehn Standorten die Landessortenversuche Wintergerste. Durch Hinzunahme passender Versuche aus dem benachbarten Kammergebiet Niedersachsen bieten diesjährig insgesamt 16 Versuchsergebnisse wieder eine sehr breite und sichere Grundlage für die exakte Bewertung der Sortenleistungen. Unter Berücksichtigung der Vorjahresergebnisse ergibt sich damit eine zuverlässige Basis für die Vorausschätzung der nächstjährig zu erwartenden standortspezifischen Ertrags- und Qualitätsleistungen der Sorten in den nordrhein-westfälischen Anbauregionen.

Die Prüfung der Wintergerstesorten erfolgte in zwei Intensitätsstufen, B1 und B2, siehe dazu Tabelle 3. Die gegenüber B1 höheren Produktionskosten in der B2-Variante entsprechen in diesem Jahr bei einem Erzeugerpreis von 9,00 € je dt einem notwendigen Mindestmehrertrag von 14,0 dt je ha.  Bei dem im aktuellen Jahr immens gewachsenen Missverhältnis zwischen Kosten und Erzeugerpreisen ist der erforderliche wirtschaftliche Mehrertrag damit erheblich geworden. Letztes Jahr betrug er gerade mal 5,9 dt je ha. Wie aus den unteren Zeilen von Tabelle 4 zu ersehen ist, war in diesem Anbaujahr die höhere Intensitätsstufe B2 im Mittel über alle Sorten nur auf sieben von insgesamt 16 Standorten wirtschaftlich.

Erträge und Qualitäten

Als praxisnahe Grundlage für gut gesicherte Sortenempfehlungen dienen die mehrjährig erzielten Leistungen der Sorten aus der höheren Intensitätsvariante. Die in den Exaktversuchen zwischen einigen Sorten ermittelten Ertragsdifferenzen von 1 bis 2 % lassen sich in der Praxis nicht wiederfinden. Deshalb sollten solche geringen Differenzen keinen übermäßigen Einfluss auf die Bewertung und die Sortenwahl haben. Auch ein im aktuellen Jahr mal unterdurchschnittliches Ertragsergebnis von sonst sich mehrjährig bewährten Sorten sollte nicht überbewertet werden, vor allem, wenn die eigenen Anbauerfahrungen mit solchen Sorten bislang gut waren. Das gilt dieses Jahr insbesondere für die Sorten Lomerit, Alinghi und Fridericus. Entsprechend umgekehrt sollte ein überproportional gutes Ergebnis in diesem Jahr nicht das alleinige Maß für die Sortenwahl darstellen. Das gilt vor allem für die neueren Hybridsorten Zzoom und Yoole, siehe unten: "Das Besondere der Hybridgerste".

Bei der Bewertung der eigenen Praxisergebnisse von zwei bis drei Sorten im Vergleich zu den Ergebnissen aus den Landessortenversuchen ist zu bedenken, dass diese im Betrieb teilweise unter unterschiedlichen Bedingungen angebaut werden. Die exakte Beurteilung der Leistungsfähigkeit dieser Sorten ist damit eingeschränkt. In den Landessortenversuchen dagegen müssen sich diese Sorten gegenüber 20 bis 25 anderen Sorten unter verschiedenen Ackerbau- Regionsbedingungen in mehrfacher Wiederholung messen lassen, so dass hier der Vergleich um ein Vielfaches schärfer und genauer ist. Vor diesem Hintergrund ist erklärbar, dass die eigenen, möglicherweise noch guten Anbauerfahrungen mit einer Sorte sich nicht unbedingt mit einem korrespondierenden Sortenergebnis aus den Landessortenversuchen decken.

In Zukunft ist mit jährlich anderen Witterungsbedingungen zu rechnen. Für die Sortenwahl bedeutet dieses im Sinne einer Ertrags-Risikostreuung, dass je nach einzelbetrieblichem Umfang der Wintergerstenfläche mindestens zwei Sorten angebaut werden sollten. Deutlich unterschiedliche Entwicklungs- und Reifezeitpunkte bei den Sorten ermöglichen darüber hinaus auch, Arbeitsspitzen bei Düngung, Pflanzenschutz und Ernte zu entzerren.

Der Tabelle 4 sind die diesjährig an den verschiedenen Prüfstandorten in den jeweiligen Ackerbauregionen erzielten Sortenerträge, fallend sortiert nach ihrem Gesamtmittel über alle Standorte, zu entnehmen. Im diesjährigen Ergebnis zeigen die bislang mehrjährig ertragsbeständigen und empfohlenen Sorten Lomerit, Alinghi, Fridericus und Naomie und eingeschränkt Laverda unterdurchschnittliche Erträge, siehe Tabelle 5. Auch die neueren Sorten Leibniz und Highlight schnitten nach überwiegend guten, beständigen Vorjahresergebnissen in diesem Jahr unterdurchschnittlich ab. Bei sonst vergleichbaren Bestandesdichten zu den Vorjahren waren überwiegend die deutlich geringen Kornzahlen je Ähre bei diesen Sorten dafür verantwortlich. Die höheren TKM in diesem Jahr konnten die Auswirkungen der niedrigen Kornzahlen nicht kompensieren.

Die zweijährig geprüfte neuere Wintergersten-Hybridsorte Zzoom zeigt nach vorjährig mit den besten Liniensorten gleichrangigen Ergebnissen in diesem Jahr deutlich überdurchschnittliche Erträge. Die Ertragsanalyse zeigt, dass dieses auf die vergleichsweise sehr hohe Kornzahl je Ähre zurückzuführen ist, bei sonst mit den Liniensorten vergleichbaren Bestandesdichten und TKM. Bei den neueren, zweijährig geprüften Sorten Nerz mit Doppelresistenz gegenüber GMV Typ 1 und Typ 2 und Pelican bestätigen sich die guten Vorjahresleistungen.

Auf einigen Lehmstandorten im Bereich südliches Münsterland und Ostwestfalen-Lippe werden mittlerweile sehr viele und zunehmend mehr Befallsstandorte mit dem milden Gelbmosaikvirus Typ 2 registriert. Inwieweit sich die Doppel-Resistenz entsprechender Sorten tatsächlich in einer höheren Ertragssicherheit auf solchen Standorten auswirkt, lässt sich zurzeit noch nicht eindeutig bestimmen, da zu wenige spezielle Versuchsergebnisse vorliegen. Auf dem Höhenstandort Meerhof wurde dieses Jahr auf einem nachgewiesenen Befallsstandort ein entsprechender Virus-Versuch angelegt. Im Vergleich zur Sorte Lomerit mit relativ 81 waren die Erträge der doppelresistenten Sorten Nerz mit relativ 111 und Yokohama, relativ 108, deutlich höher. Demgegenüber waren in einem gleichen Versuch keine deutlichen Ertragsdifferenzen auf einem Nichtbefallsstandort bei Altenmellrich zu ermitteln. Zu empfehlen ist bei hoher Befallwahrscheinlichkeit des Standortes und damit zur Risikominimierung eine doppelresistente Sorte, wie Nerz oder Yokohama.

Unspektakuläre neue Sorten

Von den neu zugelassenen Sorten zeigt in diesem Jahr lediglich Souleyka interessante Ertragsleistungen. Die erstjährigen Ergebnisse der neuen Sorten insgesamt zeigen insgesamt keine neuen deutlich besseren Leistungsträger.

Der Tabelle 6 sind die Ergebnisse der hl-Gewichtsleistungen der Sorten zu entnehmen. Es zeigen sich mehrjährig deutliche Sortenabhängigkeiten. Sorten wie Lomerit und Leibniz erzielen, genetisch bedingt, immer deutlich überdurchschnittliche, Alinghi und Fridericus gut durchschnittliche und Laverda, Highlight, Nerz und Zzoom leicht unterdurchschnittliche hl-Gewichte. Im Mittel der Sorten und Standorte lässt sich durch die höhere Intensität auch das hl-Gewicht leicht steigernd beeinflussen.

In Tabelle 7 sind die agronomischen Sortenleistungsmerkmale aufgeführt. Differenziert nach den vier Ackerbauregionen in NR, sind unter Berücksichtigung der Vorjahresergebnisse die entsprechenden Sortenempfehlungen in der Tabelle 8 aufgeführt. Der Tabelle 9 sind zusammengefasst die besonderen sortenspezifischen Eigenschaften der Empfehlungssorten aufgeführt. Die Angaben zu den sortenspezifisch erforderlichen ertragsstrukturellen Voraussetzungen für das Erreichen hoher Erträge, wie Bestandesdichte, Kornzahl je Ähre sowie TKM, beruhen auf langjährigen Ergebnissen zu diesen Merkmalen. Je mehr Einzelergebnisse vorliegen, desto genauer die Aussage.

Wirtschaftlichkeit der Intensitäten

Neben der Bewertung der Ertrags- und Qualitätsleistungen der Sorten im Landessortenversuch ist auch die Beurteilung eines eventuell vorhandenen sortenspezifischen Intensitätsanspruchs von Bedeutung. Hier spielen die agronomischen Eigenschaften der Sorten eine entscheidende Rolle. Die Frage lautet, ob es Sorten gibt, die auf Grund ihrer besseren Gesundheit sowie Standfestigkeitsmerkmale tendenziell mit einem reduzierten Pflanzenschutz wirtschaftlicher produziert werden können. Die Ergebnisse zeigen, dass im gleichen Versuchsjahr bei einer Sorte auf den verschiedenen Standorten unterschiedlich, mal in der B1-, mal in der B2-Variante die höchsten bereinigten Marktleistungen erzielt werden. Demzufolge lassen sich nur sortenspezifische Tendenzen bezüglich des erforderlichen Intensitätsanspruchs ableiten, ermöglichen aber damit praxisrelevante Hinweise. Das Beurteilungskriterium der bereinigten Marktleistung ist das rechnerische Produkt aus dem Ertrag und dem Erzeugerpreis abzüglich der jeweils in B1 und B2 vorhandenen variablen Kosten für Überfahrten, Wachstumsregler, Fungizide und Stickstoff, siehe Tabelle 3.

Die Abbildung (letzte Seite der PDF-Datei) zeigt diesjährig fallend sortiert die Sortenrangierung nach der bereinigten Marktleistung. Die Unterschiede zwischen den empfohlenen Sorten sind nur gering. Zweijährig verrechnet sind die Unterschiede noch geringer. Unter Berücksichtigung eines um 2 € höheren Erzeugerpreises bei der Winterbraugerste zeigt Wintmalt durchaus eine Konkurrenzfähigkeit mit etablierten mehrjährig geprüften Sorten. Siehe dazu auch "Das Besondere der Hybridgerste".

Zwischen den mehrjährig geprüften Sorten gibt es in der Tendenz zum Teil größere Unterschiede in ihrem Intensitätsanspruch. Alinghi und Laverda, größtenteils auch Fridericus, haben demnach in der Mehrzahl der Jahre und Standorte überwiegend bereits in der B1 Variante die höchsten bereinigten MarktIeistungen erbracht, ihr Intensitätsanspruch zeigte sich damit in der Tendenz überwiegend gering. Demgegenüber bedarf es bei den Sorten Leibniz, Lomerit und Naomie tendenziell einer höheren Intensität, um die höchsten bereinigten Marktleistungen zu erbringen. Highlight zeigt jahresspezifisch stärkere Schwankungen im Intensitätsanspruch. Bei den zweijährig und erst recht bei den erstjährig geprüften Sorten ist die Ergebnisgrundlage noch zu gering, um sichere Aussagen zu ihrem Intensitätsanspruch ableiten zu können.

Nicht immer lassen sich eindeutige Beziehungen zu den Sorteneinstufungen bezüglich Anfälligkeiten herstellen, wie Tabelle 7 verdeutlicht.

Hinweise zur Aussaat

Pflanzenbaulicher Grundsatz ist: Erst wenn die an einem Standort möglichen acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen optimal gestaltet werden können, kann bei dann noch guten Witterungsbedingungen eine gute Sorte auch ihr genetisch verankertes Ertrags- und Qualitätspotenzial in Form gesunder und vitaler Pflanzenbestände voll ausschöpfen. Die ersten ertragsentscheidenden acker- und pflanzenbauliche Maßnahmen beginnen im Herbst mit der optimalen Saatbettbereitung sowie mit der Wahl der Saatzeit und einer darauf abgestimmten Saatmenge. Extrem frühe Saattermine sind zu vermeiden. Die Einhaltung der auf jahrzehntelanger Erfahrung basierenden optimalen standortspezifischen Saattermine sollte beachtet werden. Ein Großteil möglicher Herbstprobleme kann damit schon wesentlich gemildert werden.

Andererseits sollte auch nicht in das andere Extrem einer deutlich späteren Saat verfallen werden. In der Tabelle 10 sind für die verschiedenen Ackerbau-Anbauregionen von NRW Empfehlungen zu den Aussaatmengen aufgeführt. Die dort jeweils aufgeführten Angaben zur anzustrebenden Zielbestandesdichte, den Beährungskoeffizienten sowie den Feldaufgangs- und Überwinterungsverlusten, die bei in einer korrekten Ausaatmengenberechnung zu berücksichtigen sind, basieren auf mehrjährig in den Landessortenversuchen ermittelten Werten.

Zwischen den Anbauregionen sind deutliche Unterschiede feststellbar. Liegen eigene standörtliche Erfahrungen vor, sollten sie in der Rechnung berücksichtigt werden. Die aufgeführten Werte beziehen sich auf die regional langjährig bewährte normale Saatzeit für die Wintergerste sowie auf gute Saatbettbedingungen. Bei größerer Saatzeitverspätung müssen die Beährungskoeffizenten, also die ährentragenden Halme je überwinterter Keimpflanze, reduziert werden, da sich die verfügbare Zeit für eine ausreichende Bestockung unter Kurztagsbedingungen reduziert. Bei sich verschlechternden Saatbedingungen sind die Werte für die Feldaufgangsverluste sowie gegebenenfalls für die Überwinterungsverluste zu erhöhen. Ziel dieser flexiblen Anpassungen ist, über die sich daraus ergebenden Aussaatmengenänderungen ausreichende, aber nicht überhöhte Bestandesdichten als wichtige Basis für einen hohen und sicheren Ertrag zu sichern.

Beim Anbau zweizeiliger Wintergerste sollte die Saatstärke generell um etwa 30 Körner je m² über der jeweiligen standortspezifischen Saatstärke der mehrzeiligen Wintergerste erhöht werden. Zu beachten ist, dass die Keimfähigkeit des Saatgutes als Korrekturfaktor rechnerisch bei der Saatmengenberechnung noch zu berücksichtigen ist.

Das Besondere der Hybridgerste

Seit zwei Jahren sind offiziell auch bei der Wintergerste Hybridsorten auf dem Markt und in den Landessortenversuchen auch in der Prüfung. Was ist bei der Hybridzüchtung anders als bei der normalen Linienzüchtung? Bei der Hybridzüchtung werden zwei genetisch sehr unterschiedliche Inzuchtlinien miteinander gekreuzt. Damit will man unter Ausnutzung eines maximalen Heterosiseffektes vitalere, leistungsfähigere Nachkommen und neue Sorten erzeugen. Unter Heterosis ist zu verstehen, dass der Leistungszuwachs überproportional größer ist als die Einzelleistungen der beiden Elternlinien. Erklären lässt sich dieses damit, dass in einer mischerbigen Hybridsorte die gleichen Gene für bestimmte Merkmale und Eigenschaften eine unterschiedliche Ausprägung besitzen. Aus diesem Grund kann, je nach Bedarf gegenüber bestimmten Umwelteinflüssen im Vegetationsverlauf, das eine oder andere bessere Gen bezüglich Vitalität, Biomassebildung entsprechend flexibler reagieren. Bei Mais, Roggen und Raps haben die Hybridsorten bereits eine große, erfolgreiche Bedeutung im praktischen Anbau. Bei Weizen sind schon seit längerem Sorten im Anbau, bei Gerste hat die Hybridzüchtung erst seit 1994 gezielt begonnen.

Bei der Hybridgerste werden züchterseits das hohe Ertragsvermögen, die höhere Ertragssicherheit, die stärkere Bestockungsfähigkeit und ein weiteres mögliches Aussaatfenster bis zum 10. Oktober hervorgehoben. In diesem Vegetationsjahr konnten sich offensichtlich einige dieser Positivmerkmale in Form sehr hoher Erträge auch bestätigen. In der nur knappen verfügbaren Vegetationszeit unter Kurztagsbedingungen waren die Hybridsorten (Zzoom, Yoole) gegenüber vielen etablierten Liniensorten in der Lage, insbesondere deutlich höhere Kornzahlen je Ähre zu etablieren.

Auch im Vorjahr hoben sich die Hybridsorten im Merkmal Kornzahl je Ähre bei sonst vergleichbaren Bestandesdichten von den Liniensorten leicht ab. Allerdings lagen bei sonst vergleichbaren Bestandesdichten zwischen Linien- und Hybridsorten die TKM bei den Liniensorten deutlich höher, so dass es im vergangenen Jahr zwischen den Hybridsorten und den leistungsfähigen Liniensorten (Lomerit, Fridericus, Alinghi) keine gesicherten Ertragsunterschiede gab. Vor allem bei Zzoom ist qualitativ auf die hl-Gewichtsschwäche hinzuweisen, die je nach Jahr zu stärkeren Preisabschlägen führen kann.

Unter Berücksichtigung dieser beiden stärker differierenden ersten Jahresergebnisse im Vergleich zu den Liniensorten ist daher zu empfehlen, probeweise eine Hybridsorte anzubauen, um erste Erfahrungen zu sammeln. Das Saagut wird in Einheiten zu 900 000 Körnern angeboten und soll mit nur zwei Dritteln der üblichen Aussaatmenge gedrillt werden. Auf den ha bezogen bewegen sich die Mehrkosten etwa bei 30 bis 35 €.

Autor: Dr. Joachim Holz, Heinz Koch